Karikaturenstreit stärkt dänische Regierung

Wachsende Zustimmung zu Rechtspopulisten. Muslimische Migranten bemühen sich darum, die Krise zu entschärfen

STOCKHOLM taz ■ Auch wenn es von Nigeria über Pakistan bis Indonesien noch immer einzelne Proteste wegen der Mohammed-Karikaturen gibt: In Kopenhagen atmet man auf. Der schlimmste Sturm scheint überstanden. Der Fokus der Proteste hat sich internationalisiert. Sie zielen nicht mehr speziell auf Dänemark, sondern die gesamte westliche Welt. Oder sie haben eher innenpolitische Wurzeln. „Die großen Demonstrationen sind vorbei“, glaubt auch Dietrich Jung vom dänischen Institut für Internationale Studien. Die Proteste würden wohl schnell ganz absterben.

Auch in der dänischen Bevölkerung ist der Wunsch unübersehbar, den Karikaturenstreit möglichst schnell ad acta zu legen. Nicht zuletzt unter den muslimischen Migranten. „Ja-ja-ja zu Dialog, Nein-nein-nein zu Gewalt“ lautete der Sprechchor, mit dem 5.000 Menschen am Wochenende in Nørrebro, dem vor allem von Migranten bewohnten Stadtteil Kopenhagens, für Frieden und den Dialog der Religionen auf die Straße gegangen waren. Tanwir Ahmad, Sprecher des Veranstalters „The Network“: „Wir wollen zeigen, dass wir quer durch alle Religionen zusammenstehen und nicht den Religionskrieg wünschen, auf den Scharfmacher hinarbeiten.“

„Die Zeichnungen waren verkehrt, aber wir sollten die jetzt vergessen“, sagte Omar Baksh, ein Demonstrationsteilnehmer: „Sie haben etwas Gutes gebracht. Muslime, die alles passiv hingenommen hatten, melden sich zu Wort. Ich bin auch einer davon.“

Meinungsumfragen zeigen, dass die schwere Krise die Regierung gestärkt hat. Das verwundert Analytiker. In den Medien hatte es Kritik für das mangelhafte Krisenmanagement Rasmussens gehagelt. Eine Mehrheit der Bevölkerung sieht das offenbar anders. Markant zugelegt hat vor allem die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, mit der die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen parlamentarisch zusammenarbeitet. Sie steigerte ihre Sympathiewerte gegenüber dem Ergebnis der letztjährigen Parlamentswahl um ein Drittel auf 17,8 Prozent.

Umgekehrt brachen die oppositionellen Sozialdemokraten auf 21,8 Prozent ein. Mit ihrem Schlingerkurs, der Regierung in der Krise den Rücken zu stärken, sie aber in Einzelfragen zu kritisieren, stößt sie offenbar auf wenig Verständnis. Gestärkt wurden die gegenüber Rasmussen kritischer eingestellten Oppositionsparteien, die Sozialisten und die linksliberale Radikale Venstre. Sie drängen auch auf einen Untersuchungsausschuss, der die Handhabung der Karikaturenfrage durch die Regierung aufarbeiten soll. Dabei wird es auch darum gehen, dass in der Regierungszentrale über diplomatische Kanäle erste ausländische Proteste zu den Karikaturen bereits im Oktober eingegangen waren. Darunter war auch ein Brief der ägyptischen Regierung, die ausdrücklich vor einer möglichen Eskalation warnt und einen Dialog anregt. Auf diese Briefe war weder reagiert noch – wie es verfassungsmäßige Pflicht gewesen wäre – das Parlament informiert worden.

In der Exportwirtschaft bereitet man eine Kampagne vor, die sich an den gesamten Nahen und Mittleren Osten richten soll. „Damit werden wir unsere Sympathie für unsere dortigen Kunden zum Ausdruck bringen und uns von den Karikaturen und allen religiösen Kränkungen distanzieren“, kündigte Peder Tuborgh, Chef des Molkereikonzerns Arla an. Neben Worten hofft man auf die Wirkung von Goodwill-Handlungen: Von jedem verkauften Produkt soll ein Betrag an den „Roten Halbmond“ oder andere muslimische Hilfsorganisationen gehen.

REINHARD WOLFF