Kulturkampf um Türkenrambo

Es ist der bisher erfolgreichste türkische Film in Deutschland: Schon über 200.000 Zuschauer sahen den türkischen Propagandastreifen „Tal der Wölfe“. Jetzt fordern der Zentralrat der Juden, Edmund Stoiber und andere: „Absetzen“

„Die verletzten nationalen Gefühle der Türken werden hier gezeigt“

VON CIGDEM AKYOL

So erfolgreich der Film in den türkischen und deutschen Kinos bisher lief, so umstritten ist er auch in Deutschland. Denn „Kurtlar Vadisi Irak – Tal der Wölfe“ bedient antijüdische, antiwestliche, antikurdische und antichristliche Klischees.

Nun appelliert der Zentralrat der Juden an die deutschen Kinobetreiber, den Film von den Leinwänden zu verbannen. Denn der Film zeige antisemitische Stereotypen: In einer Szene verschwindet ein Jude feige in einer brenzligen Situation. Der Mann hat dicke schwarze Schläfenlocken und trägt einen schwarzen Zylinder – und das im Nordirak. In einer weiteren Szene entnimmt ein jüdischer Arzt muslimischen Gefangenen ihre Nieren. Anschließend werden diese nach Israel, Großbritannien oder in die USA verschickt.

Auch der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber verlangt die Absetzung des Films: „Ich fordere die Kinobetreiber in Deutschland auf, diesen rassistischen und antiwestlichen Hassfilm sofort abzusetzen.“ Denn er solle lediglich zu einem Kampf der Kulturen beitragen.

Mit seinem Boykottaufruf steht Stoiber nicht allein da. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) erklärte: „Der Film radikalisiert vor allen Dingen türkische Jugendliche.“ Die Botschaft des Actionstreifens ist auch mehr als eindeutig: Die Welt ist böse, nur die Türken sind gut.

Traditionell ist das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei gut, antiamerikanische Ressentiments finden sich in der Türkei seltener als im Rest der islamischen Welt. Doch wenige Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak verhaftete eine US-Einheit türkische Offiziere und führte sie mit einem Sack über den Kopf ab.

„Tal der Wölfe“ basiert auf dieser wahren Begebenheit. Im Film verkraftet der türkische Offizier die Erniedrigung seiner Truppe nicht und bringt sich um. Doch zuvor küsst er noch die türkische Flagge. „Für mein Vaterland“ sind seine letzten Worte. In der Türkei strömten am ersten Tag mehr mehr als 370.000 Zuschauer in die Kinos. Aber die Türken kaufen nicht nur deshalb so begeistert Karten, weil einmal die Amerikaner die Bösewichte sind. „Tal der Wölfe“ ist auch eine beliebte Fernsehserie, die in der Türkei seit drei Jahren läuft.

Oguz Ücuncü kann die Diskussion über den türkischen Blockbuster nicht verstehen. „Über amerikanische Filme, in denen Muslime dargestellt werden, hat sich bisher niemand aufgeregt“, bemängelt der Generalsekretär der islamischen Religionsgemeinschaft Milli Görüs und verweist auf den in den Kinos gezeigten Film „München“. Der dramaturgische Aufbau von „Tal der Wölfe“ aber gefällt ihm nicht. „Zu platt, zu oberflächlich, es werden nur Stereotypen bedient“, resümiert Ücuncü.

In dem Film ist der amerikanische Oberbefehlshaber ein christlicher Eiferer. Er kniet vor einer Jesusfigur und verspricht, dass er nicht ruhen werde, bis auf der Erde das Reich Christi errichtet sei. Celal Altun empfindet den Film nicht als antiamerikanisch: „Die USA haben im Irakkrieg gelogen, das weiß doch jeder“, sagt das Vorstandsmitglied der Türkischen Gemeinde in Berlin. „Die verletzten nationalen Gefühle der Türken werden hier gezeigt.“

„Wir dürfen den Film nicht dazu nutzen, unsere Vorurteile zu bedienen“, mahnt Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. Der Politologe bemängelt, dass der Dialog mit Muslimen nur gesucht werde, wenn es Terroranschläge gab. „Der Dialog wird aber nur vom Westen bestimmt“, so Halm. Einen Boykott oder gar ein Verbot lehnt er ab.

„Der türkische Blickwinkel wird gezeigt, und das muss man aushalten können.“ Aber trotz politischer Entgleisungen dürfe man nun nicht jeden Türken für einen Antisemiten halten