Winterspiele am Hofe Rüttgers

„Intrigant, hinterhältig, unqualifiziert“: In Jürgen Rüttgers‘ Staatskanzlei tobt ein Machtkampf unter Polityuppies. Der schadet nicht nur der Außendarstellung des CDU-Regierungschefs

VON K. JANSEN, M. TEIGELER UND A. WYPUTTA

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers muss ein guter Chef sein. Der Christdemokrat ist unter seinen Mitarbeitern so beliebt, dass sich diese einen unterhaltsamen Machtkampf um die Gunst des Regierungschefs liefern. Statt sich um Politik zu kümmern, scheinen die Rüttgers-Vertrauten zur Zeit lieber die Spesenrechnungen und kulinarischen Vorlieben ihrer Kollegen an die Öffentlichkeit zu zerren. „Mobbing, parteiinterne Intrigen, alles Erdenkliche läuft da“ – so beschreibt ein CDU-Insider die Zustände in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Ins Gerede gekommen ist vor allem die junge Garde von Beratern, die mit Rüttgers nach dessen Wahlsieg in die Staatskanzlei eingezogen ist. Allen voran: „Scampi-Boris“ Berger, Chef der Abteilung politische Planung in der Regierungszentrale. Mal soll der derzeit wichtigste Rüttgers-Mann sich auf Kosten der klammen NRW-CDU den Bauch mit Meeresfrüchten vollgeschlagen haben, dann wird dem PR-Experten sein Hang zu teuren Imageprojekten und überdimensionierten Leasingautos vorgeworfen. Vorläufiger Höhepunkt: Ausgerechnet der CDU-nahe Focus berichtet nun über einen Autounfall Bergers in der Tiefgarage der Staatskanzlei – und schreibt den zu einer Dienstwagenaffäre hoch.

Nicht nur in der Landes-CDU fragt man sich nun, wer diese Geschichten lanciert. Beobachter vermuten einen Konflikt zwischen alten und neuen Rüttgers-Beratern (siehe unten) um die Gunst des Landeschefs. Die Einflüsterer sollen einander nicht nur Prestige, sondern auch Gehaltsunterschiede neiden. Vor allem Ex-Fraktionssprecher Norbert Neß liefert sich offenbar ein Duell mit den neuen Mitgliedern von Rüttgers‘ Boygroup. „Neß ist der böse Geist der NRW-CDU“, sagt ein Kenner. Schon im Wahlkampf soll der Rüttgers-Vertraute – wie auch Berger – CDU-Generalsekretär Hans-Joachim Reck gemobbt haben. Reck wird innerparteilich mittlerweile abgeschrieben: Er wird in den nächsten Wochen zurücktreten.

Neß gilt als laut und cholerisch – allerdings verfügt er über exzellente Kontakte, nicht nur zur Bild-Zeitung. „Als einzige Berufserfahrung hat er den Job als CDU-Sprecher in Pulheim vorzuweisen. Das ist ungefähr so, wie Tangotänzer in Finnland zu sein“, ätzt dennoch ein Mitglied der erweiterten Landesführung.

Doch nicht nur in der Staatskanzlei – auch in der Landes-CDU wächst der Groll über die Zustände am Hofe Rüttgers. Immer misstrauischer werde der Regierungschef, außerdem höre er nicht mehr auf gestandene Parteifreunde, sondern nur noch auf „schleimige junge PR-Fuzzis“, sagt ein CDU-Funktionär. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert soll sich zuletzt erstaunt darüber gezeigt haben, dass Rüttgers „nur diesem Berger“ vertraue.

Angestauter Frust der Übergangenen entlädt sich auch in Kritik an den als amateurhaft empfundenen Landesministerinnen Roswitha Müller-Piepenkötter (Justiz) und Barbara Sommer (Schule). „Der Ministerpräsident macht eine Personalpolitik nach schwachsinnigen Kriterien“, heißt es. „Jürgen Rüttgers setzt nur auf Polit-Anfänger oder seine Rheinland-Connection.“

Doch auf den Ministerpräsidenten, derzeit in den USA auf seiner ersten größeren Auslandsreise, warten nicht nur die ungelösten Personalkonflikte. Zentrale Reformvorhaben wie die Entschuldung des Haushalts und die umstrittene Schulreform müssen umgesetzt werden – und an seinem Arbeitsplatz muss Rüttgers Frieden schaffen.