Nimmermüde Carabinieri

Erneut wird ein Teamquartier österreichischer Sportler von der italienischen Polizei durchsucht. Derweil kündigt das Internationale Olympische Komitee an, die Dopingtestergebnisse der Österreicher zu veröffentlichen – egal wie diese ausfallen

„In einer besseren Welt müsste man diese Methoden nicht anwenden“ (IOC)

Österreich bleibt bei den Olympischen Winterspielen in Turin im Fadenkreuz der Dopingfahnder. Eine weitere Polizeirazzia in einem Olympia-Quartier und neue Verdächtigungen gegen österreichische Langläufer sorgten auch am Dienstag für gehörigen Wirbel. „Es ist ein Skandal, mit welchen Sachen wir konfrontiert werden“, behauptete Markus Gandler, Sportdirektor der österreichischen Biathleten und Langläufer. „Es hat eine Dimension angenommen, die den Verstand übersteigt.“ Der Doping-Experte Werner Franke bezeichnete indes den Nordischen Skisport neben dem Radsport als „die versauteste Disziplin überhaupt“, zum wiederholten Male.

Bei der von den italienischen Behörden angeordneten Durchsuchung eines angemieteten Hauses der österreichischen Langläufer am Montagabend in Pragelato-Plan wurde offenbar nichts Verdächtiges aufgespürt. „Da ist nichts gefunden worden. Wir haben nichts zu verstecken“, erklärte Gandler. Die Carabinieri müssen das Quartier sehr gründlich bei der rund dreistündigen Aktion durchkämmt haben. „Ich war in einer Pizzeria essen. Als ich heimkam, sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen“, berichtete Otto Jung, Heimtrainer des Läufers Martin Stockinger. „Kästen waren umgeworfen, Taschen gelehrt, Dinge zerstört.“

Giselle Davies, Sprecherin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sagte zu diesem erneuten staatlichen Eingreifen: „In einer besseren Welt müsste man diese Methoden nicht anwenden.“ Sie kündigte zudem an, dass die Ergebnisse der Dopingtests im österreichischen Olympia-Team, die am Samstag genommen worden waren, auf jeden Fall veröffentlicht werden – auch wenn sie negativ ausfallen. Das IOC macht damit eine Ausnahme von seinen Antidopingregeln. „Natürlich ist der öffentliche Druck hier viel größer“, erklärte Davies. Normalerweise werden nur positive Tests bekannt gegeben.

Bereits am Samstag hatte es eine Doping-Razzia in den Häusern der österreichischen Langläufer und Biathleten gegeben. Dabei sollen etwa hundert Spritzen, Schachteln mit Medikamenten sowie Apparate für Bluttests und Bluttransfusionen gefunden worden sein. Für den Heidelberger Molekularbiologen Werner Franke sind allein schon solche Funde Beleg genug für Doping mit Eigenblut. „Was wollen sie denn sonst mit Spritzen und blutverschmierten Präparaten gemacht haben“, erklärte Franke in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Auch kleine Zentrifugen, mit denen der Hämoglobinwert gemessen werde, seien als Beweis heranzuziehen. „Das haben die Radfahrer auch immer im Zimmer gehabt“, sagte er.

Nach der ersten Durchsuchung durch Carabinieri, die vorrangig dem von Olympia verbannten Sportlichen Leiter der Langläufer und Biathleten, Walter Mayer, galt, ist auch der österreichische Langlauftrainer, Emil Hoch, abgereist. „Das hängt zusammen mit Mayer, das ist erklärbar“, sagte Gandler.

Noch in der Nacht der Polizei-Aktion waren die beiden Weltklasse-Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann überstürzt in die Heimat abgereist. Der ehemalige Weltmeister Rottmann sollte in der Biathlon-Staffel laufen, die entnervt am Dienstag nur den 17. und letzten Platz erreichte. „Da haben ein, zwei Sportler etwas gemacht. Die Verantwortlichen dieses Desasters müssen zur Verantwortung gezogen werden“, forderte Cheftrainer Alfred Eder, der sein Quartett in Schutz nahm: „Ich habe meinen Körper schon nicht gespürt, als ich nur zusah.“

Unterdessen sind auch drei österreichische Langläufer nach einem Bericht der Zeitung La Repubblica bei der ersten Razzia im Olympia-Quartier des Austria-Teams in Pragelato ins Visier der italienischen Fahnder geraten. Nach dem Bericht wurden bei Martin Tauber, Jürgen Pinter und Johannes Eder Geräte für einen „Biotest“ gefunden worden, berichtete die römische Zeitung am Dienstag. Von einem Untersuchungsrichter in Klagenfurt wurde am Dienstag der nach der Doping-Razzia von den Winterspielen geflüchtete Walter Mayer vernommen. Dabei hat sich der 48-Jährige, der bei einer Amokfahrt am Sonntagabend in ein Polizeiauto gerast war, in allen Anklagepunkten voll geständig gezeigt, teilte ein Sprecher des Landgerichts mit.

Wegen mutmaßlicher Selbstmordgefahr begab er sich danach wieder in das Landeskrankenhaus Klagenfurt, wo er derzeit in psychiatrischer Behandlung ist. Wie Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV), dem Rundfunksender Ö3 erklärte, werde Mayer behandelt, „weil er angeblich suizidgefährdet ist“. Er war wegen der „Blutbeutel-Affäre“ 2002 in Salt Lake City bis 2010 von Olympia verbannt und vom ÖSV nach der Turin-Affäre entlassen worden. DPA, TAZ