die taz vor zehn jahren über den streit um das orienthaus der Palästinenser in Ost-Jerusalem
:

Der Stein des Anstoßes ist ein festes Gebäude. Und es steht in Jerusalem, genauer gesagt in Ost-Jerusalem: das Orient-Haus, die inoffizielle PLO-Residenz in der Heiligen Stadt. Dort pflegt PLO-Statthalter Feisal Husseini Staatsgäste und Würdenträger zu empfangen. Die demonstrative Präsenz soll den palästinensischen Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates untermauern, der ausländische Besucherstrom eine Art internationaler Anerkennung dieses Anspruchs sein. Genau das aber soll Israels Regierung nun auf Druck der oppositionellen Likud-Partei per Gesetz verhindern. Seit Jahren ist das Orient-Haus ein Dorn im Auge all jener, die Jerusalem als unteilbar und als ewige Hauptstadt des jüdischen Staates reklamieren. Die israelische Drohung, in Zukunft ausländische Politiker mit Polizeigewalt am Besuch des Orient-Hauses zu hindern, hat nun auch Bundesaußenminister Klaus Kinkel veranlaßt, seine Israelreise vorerst abzusagen.

Nach dem Osloer Abkommen hat keine Seite das Recht, den Status von Jerusalem durch einseitige Maßnahmen zu präjudizieren. Und Ost-Jerusalem ist, trotz der israelischen Annexion, nach internationalem Recht besetztes Gebiet. Im juristischen Sinne kann die PLO-Präsenz in Ost-Jerusalem von Israel nicht angefochten werden, solange die Organisation dort keine Organe der palästinensischen Selbstverwaltung unterhält. Politisch aber setzt die PLO ein Zeichen, dem die israelische Regierung juristisch eben nicht beikommen kann. Deshalb der israelische Ärger. Und der gestern debattierte Likud-Gesetzentwurf. Dieser dient der Opposition aber vor allem als Wahlkampfpropaganda. Der Regierung Schimon Peres soll unterstellt werden, daß sie freiwillig auf Teile Jerusalems verzichten will, wenn sie dem Gesetz ihre Zustimmung versagt. Doch davon kann keine Rede sein. Israels Drohung, das Orient-Haus abzuriegeln, läßt eher das Gegenteil erwarten.Georg Baltissen, 22. 02. 1996