Ganz tief im Funkloch

SICHERHEITSBEHÖRDEN Der Bundestag sperrt Gelder für das Digitalfunknetz von Polizei und Feuerwehr. Damit verzögert sich der Start des einstigen Renommeeprojekts erneut

Müssen Polizisten und Feuerwehrleute bald mit zwei Funkgeräten auf Tour gehen?

VON OTTO DIEDERICHS

Das bereits im Aufbau befindliche Digitalfunknetz für die deutschen Sicherheitsbehörden steht erneut auf der Kippe. Vor wenigen Tagen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages rund eine halbe Milliarde Euro gesperrt, die für den Aufbau des Netzes bestimmt waren. Begründung: Die Kosten für das Projekt würden aus dem Ruder laufen. Wann die 488 Millionen Euro wieder freigegeben werden, ist völlig offen. Für Berlin bedeutet dies: Vor allem Einsätze in Gebäuden bleiben problematisch.

Insgesamt ist man in Berlin – verglichen mit anderen Bundesländern – beim Aufbau schon recht weit: Alle etwa 100 geplanten Sendeantennen sind errichtet und „vor geraumer Zeit in den Wirkbetrieb überführt worden“, heißt es in der Verwaltung des Innensenators und bei der Polizei. Probleme durch die Entscheidung des Bundestags will man nicht erkennen.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Nach Informationen der taz müssen innerhalb des S-Bahn-Ringes noch mindestens zwei zusätzliche Sendemasten errichtet werden. Und die übrigen Basisstationen befinden sich noch nicht einmal im Probebetrieb. Bei der Feuerwehr wird man noch deutlicher: Das Netz stehe nur für den „Funk auf Verkehrsverbindungen“. Doch wie steht es mit Verbindungen in Gebäuden, wo die meisten Einsätze stattfinden und für die Rettungskräfte auch die größte Gefahr besteht? „Die Inhouse-Versorgung stand schon immer auf dem letzten Platz der Agenda“, sagte ein Feuerwehrmann der taz.

Durch die enge Bebauung und die vielen großen, zum Teil verspiegelten Glasfassaden in der Stadt, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sei es mit den analogen Funkgeräten schwierig, den Kontakt zu den Kollegen vor Ort zu halten. An große Einkaufzentren wie die Neukölln-Arcaden denkt er mit Grausen: „Shopping-Malls sind sehr problematisch.“

Zwar lagern die neuen digitalen Funkgeräte bereits in den Kellern der Feuerwehr, sie sollen ab Mai ausgegeben werden. Doch was nützt das, wenn die Infrastruktur nur unvollständig steht? Hier habe man wohl entsprechende „Anpassungsklauseln“ vergessen, meint der Feuerwehrmann lakonisch. Klaus Krzizanowski, Feuerwehrvertreter im Vorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bestätigt die Angaben seines Kollegen.

Weit weniger optimistisch als Polizeiführung und Senat sind auch viele Polizisten. Etwa Arne Wabnitz, bei der GdP mit Digitalfunkfragen befasst. Nach dem Beschluss des Bundestagsausschusses sei er „einigermaßen skeptisch“, dass der neue Funk wie geplant noch in diesem Jahr flächendeckend starten kann.

Dabei ist auch diese Zielgerade schon mehrfach verlegt worden. Ursprünglich sollte der Digitalfunk bereits zur Fußball-WM 2006 starten. Jetzt visiert der Bund das Jahr 2012 an. Doch es kommt noch schlimmer: Alte und neue Technik sind nicht kompatibel. Müssen PolizistInnen und Feuerwehrleute dann demnächst mit zwei Funkgeräten arbeiten?

Das dürfte schwierig werden, denn für die analogen Geräte werden die Ersatzteile knapp. Zudem gilt die vorgesehene Digitalfunktechnik durch die langen Verzögerungen in Fachkreisen bereits als veraltet. Kartenausschnitte, Fahndungsfotos oder Fingerabdrücke können damit nicht hinreichend scharf übertragen werden. Spötter meinen denn auch, jedes gewöhnliche iPhone könne heute schon mehr. Beim Hersteller Motorola, dem Funkausrichter in Berlin, will man sich zu dem neuerlichen Debakel auf Anfrage denn auch lieber gar nicht äußern.