: Trümmerfrau auf Pointensuche
Sauerländischer Auswurf im Kabarett: Lioba Albus brachte es vom Nonnenkloster in Attendorn auf die Bühnen Nordrhein-Westfalens. Ihr liebstes Opfer: Sauerländer Fritze Merz. Der Typ sei embryonal und nicht ausgebrütet worden
von LUTZ DEBUS
Sie nennt sich schon mal Kanalratte. Lioba Albus, Kabarettistin mit ständigem Wohnsitz in Dortmund, durchflutet mit ihren Programmen Funk, Fernsehen und Veranstaltungsräume – hauptsächlich in NRW. Wenn sie nicht gerade mit Kollege Fritz Eckenga nach bedeutenden Wahlen die Realsatire namens Elefantenrunde mit der Show „Brutto wie Netto“ aufs Korn nimmt, tourt sie mit frauenbewegt anmutenden Themen durchs Land: „Von der Göttin zur Gattin.“ Oder „Wenn Männer zu viel liegen“.
Dabei ist ihre Herkunft eher präfeministisch. Im Jahre 1958 im tiefschwarzen sauerländischen Attendorn geboren, besucht sie eine Klosterschule. Die Ermahnung einer der Ursulinennonnen bleibt ihr dauerhaft in Erinnerung: „Zwischen die Beine eines jungen Mädchen gehört nichts, aber auch gar nichts!“ Gemeint war Liobas Schulranzen, der sich unbotmäßig zwischen ihren Füßen befand. Als 18-Jährige macht sie sich auf den Weg nach München. Die Unschuld vom Sauerlande merkt beim gegenseitigen Kennenlernen in den Umkleideräumen der Schauspielschule recht bald, dass nicht nur Aktentaschen jener Nonne mißfallen hätten. Eine Freundin nimmt sie mit zu einem Empfang und stellt ihr Bruno Ganz vor. Den kennt sie nicht mal aus dem Fernsehen und schüttelt ihm unbedarft die Hand: „Tach, ich bin die Lioba!“ Das macht Eindruck.
Nach dem Studium zieht sie nach Dortmund. Das Theater am Ostwall, das THEO, muß zu jener Zeit ständig ums Überleben kämpfen. Lioba Albus‘ so genannte multifunktionale Tätigkeit als Schauspielerin, Dramatikerin und Redakteurin in dem beliebten Kindertheater grenzt an Selbstausbeutung. Das ihr wichtigste Stück dort „Was heißt denn hier Liebe?“ wurde durch Auftritte in Berlin berühmt. Aber auch in Dortmund wird das Sexualaufklärungsdrama, die Geschichte von Paul und Paulas erster Liebe, zum Kassenschlager. Albus spielt die Paula, ist die Paula, wird auf der Strasse bald auch so angesprochen.
Anfang der 1990-er wird sie Kabarettistin, ist immer öfter im Westdeutschen Rundfunk zu hören und zu sehen. Den Kölner Sender findet sie noch immer recht passabel. „Der WDR ist fast die einzige Auftrittsmöglichkeit für Kabarettisten. Bei den anderen Sendern wird strenger gebügelt oder sie machen nur noch Comedy.“ Den Unterschied zwischen Kabarett und Comedy definiert sie folgendermaßen. Beim Kabarett sei die Pointe ein Nebeneffekt des Inhalts, bei der Comedy verhalte es sich genau andersherum.
Inzwischen hat sich die, die sich auf der Bühne mitunter Mia Mittelkötter nennt, mit ihrer Herkunftsgegend weitestgehend versöhnt. „In Dortmund ist viel Feinstaub in der Luft. Mein Auswurf in Attendorn war erdiger“, erklärt die Frau mit der chronischen Bronchitis. Und überhaupt sei das Sauerland der ideale Nährboden für Satire. Nicht nur sie selbst sei hierfür ein lebender Beweis. Schon Altbundespräsident Heinrich Lübke habe das Genre Sauerlandkabarett nachhaltig geprägt. Legendär sein Satz: „Equal it goes loose.“ Aktuell sei von den Sauerländer Politdarstellern Franz Müntefering der noch am wenigsten Peinliche. Anders dagegen Friedrich Merz. Nicht erst seit dem Wirbel um abgeschriebene Büttenreden ist der Exfraktionsvize beliebtes Objekt Albus‘scher Bühnentätigkeit. „Der Mann ist nicht zu Ende gebrütet worden.“ Seine ganze Erscheinung wirke embryonal. Die Augen schauten verschreckt-bedürftig. „Als sturmerprobte Mutter schießt mir bei dem sofort die Milch ein.“ Und solche Männer seien, wenn sie nicht gerade über ihre eigene Biestigkeit stolpern, mitunter recht gefährlich. Manche dieser Spezies brächten es sogar bis ins Weiße Haus.
Die psychoanalytisch angehauchte Politkabarettistin will laut Eigenwerbung die Kleinfamilie erhalten. Das klingt nach auf links gezogener Ursula von der Leyen. Albus, die Alleinerziehende mit drei Töchtern im Alter von 13 bis 21 Jahren, vermisst schmerzlich die Väter in diesem Land. Die seien weg wenn sie gebraucht werden. Doch dagegen wolle sie etwas unternehmen. „Ich möchte diesen kleinen, verstörten, aus den Nestern gestürzten Männern mit meinem Kabarett ein wenig Freude bereiten.“ Einen ernsten Hintergrund hat diese Stichelei. Ihr Vater, so erzählt Lioba Albus, sei wie viele andere auch als schweigender Mann aus dem Krieg heimgekommen. Erst kurz vor seinem Tod vertraute er seiner Tochter ein Geheimnis an. Im Krieg habe der überzeugte Pazifist einen Menschen erschossen. Mit einer Prise Bitterkeit nennt sich Lioba Albus auf der Bühne auch schon Mal Trümmerfrau. „Wir müssen das wieder aufbauen, was die Herren Schwengelschwinger zerstört haben.“
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