: Lagerfeuer mit Blick zurück
Es gibt Folk und es gibt sogar Folkrock, New Folk und Weird Folk. Selbst letzteres, eine Erfindung der späten Nullerjahre, ist heute zwar nicht mehr der allerletzte Schrei, aber doch noch aufregend genug, um von den Charity Children noch mal aufrichtig begeistert adaptiert zu werden. Die beiden in Berlin lebenden Neuseeländer Chloë Lewer und Elliott McKee haben offensichtlich die einschlägigen Werke von Devendra Banhart oder CocoRosie mit Hingabe studiert, denn sie treffen den leicht kindlichen, aber doch melancholischen Tonfall ebenso zielsicher wie die fantasievolle Instrumentierung.
Allerdings bedienen sich Lewer und McKee, die nicht nur eine Band, sondern im Leben, das man das echte nennt, auch ein Paar sind, auf ihrem Debütalbum „The Autumn Came“ nicht ausschließlich bei den schrägen Tönen, sondern orientieren sich ebenso an klassischen Popentwürfen. So, wie immer wieder Trompete oder Flügelhorn, Mundharmonika oder Cello durch die Lagerfeuergitarrenstimmung fahren und die Herbstblätter aufwirbeln, kommen einem schon auch mal Assoziationen in den Sinn, in denen die Beatles oder selbst Bob Dylan eine Nebenrolle spielen. Nicht, dass man den Charity Children eine derartige Karriere prophezeien könnte, aber sich an solchen, übermächtigen Vorbildern zu orientieren, ist gewiss förderlicher, als nur dem vorgestrigen Trend hinterher zu laufen. Bei Chloë Lewer und Elliott McKee ist beim Strecken an die Decke immerhin ein so großartiger Song wie „Elizabeth“ abgefallen.
Ebenfalls eher rückwärts blicken Alin Coen und ihre Band auf ihrem zweiten Album „We’re Not The Ones We Thought We Were“. Unbeleckt von allen New- oder Weird-Folk-Innovationen spielt das Quartett einen harmonisch ungetrübten Folkpop, der manchmal etwas jazzig wird, auch mal auf einen ironisch gebrochenen Marschrhythmus nicht verzichten mag, aber vor allem eins ist, nämlich sehr eingängig. Man könnte es Konsensmusik nennen, wenn Coen nicht dann doch mitunter – wenngleich sehr viel seltener als auf dem vor drei Jahren erschienenen Debütalbum „Wer bist Du?“ – deutsch texten und singen würde – und sich alles ändert. Während die englischen Songs manchmal eher wegdudeln, verschaffen die Worte, die man direkt versteht, der Musik eine schöne, dunkle Dringlichkeit, mit der die Stimme der gebürtigen Hamburgerin an Tiefe gewinnt. THOMAS WINKLER
■ Charity Children: „The Autumn Came“ (Monkey Records), Release-Konzert 11.7., Festsaal Kreuzberg
■ Alin Coen Band: „We’re Not The Ones We Thought We Were“ (Modul Entertainment/Universal)
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