Berlin leitet um

Damit die Stadt während der Fußball-WM nicht im Stau versinkt, will der Senat die Berliner vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen lassen. Anreize dafür gebe es kaum, kritisieren die Grünen

VON UWE RADA

Läge Berlin in Schwaben, stünde der Kommentar zum Verkehrskonzept für die Fußball-WM fest: „In Ulm und um Ulm und um Ulm herum“. Nun liegt Berlin bekanntlich mitten in Brandenburg, aber das Konzept ist das gleiche. Um die Hauptstadt während der Weltmeisterschaft nicht im Verkehrschaos versinken zu lassen, will Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) in großem Maßstab umleiten. Und zwar um die Innenstadt herum, aber auch vom Pkw auf den öffentlichen Nahverkehr.

Kernstück des Verkehrskonzepts, das Junge-Reyer gestern vorstellte, ist eine Kampagne unter dem Motto: „Berlin steigt um“. „Ziel der Kampagne ist es, die Berliner davon zu überzeugen, während der WM das Auto stehen zu lassen“, sagte Junge-Reyer. Um den Autofahrern dabei etwas nachzuhelfen, soll in Zusammenarbeit mit der BVG und der S-Bahn das Angebot in Bussen und Bahnen verbessert werden. So verkehrt die S-Bahn vom 9. Juni bis zum 9. Juli nachts durchgehend im Halbstundentakt. Auch die U-Bahn fährt rund um die Uhr – allerdings nur an den sechs Spieltagen, an denen im Olympiastadion gekickt wird (siehe Kasten).

Und noch etwas liegt der Senatorin am Herzen. „Neben Bussen und Bahnen heißt die individuelle Alternative zum Auto Fahrrad“, bekräftigte Junge-Reyer. Dazu seien insbesondere 700 Abstellplätze für Räder am Olympiastadion vorgesehen. Wenn möglich, so die Senatorin, „sollen die auch bewacht werden“.

Gut gemeint, aber nicht gut genug, lautet dagegen die Kritik der Grünen an der Verkehrskampagne. „Das Senatskonzept steht nur auf dem Papier“, meint die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Claudia Hämmerling. „Während für den Autoverkehr detaillierte Konzepte entwickelt wurden, drohen dem öffentlichen Nahverkehr längere Wartezeiten, weil die Ampeln einseitig für den Autoverkehr optimiert werden.“

Kritik von ganz anderer Seite kommt dagegen von der Industrie- und Handelskammer. Namentlich die Absperrungen rund um das Olympiastadion (siehe Text unten) seien wirtschaftsfeindlich. Der Grund: Kunden und Zulieferern der rund 500 Gewerbebetriebe bliebe der Zugang verwehrt. IHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter forderte deshalb, die Sperrungen stärker zu begrenzen, enger zu befristen sowie Ausnahmen unbürokratisch zu ermöglichen.

Einen Kritiker hat sich der Senat freilich vom Leib gehalten – den ADAC. Denn Junge-Reyer hat die Autolobbyisten mit eingebunden in die Planung der Umsteigekampagne. Ganz nach dem Motto: Im Auto und ums Auto und ums Auto herum.