die taz vor zehn jahren über die bankrotteure in berlin
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Nur allzu selbstgefällig sprach der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen zu Beginn seiner zweiten Amtszeit von seinem Sprengel als dem „Unternehmen Berlin“. Das sollte Dynamik signalisieren und den Eindruck von Effizienz vermitteln. Mittlerweile ist er froh, daß ihn keiner mehr bei diesem Wort nimmt, denn das Unternehmen, wäre es eines, ist bankrott, und der Unternehmer Diepgen, wäre er einer, müßte sich womöglich vor Gericht verantworten. Denn das Finanzdesaster war seit langem vorhersehbar, der Konkurs wurde schlicht verschleppt. Nun wird der Berliner Landeshaushalt nicht wie eine Betriebsbilanz berechnet, sondern nach den Grundsätzen der Kameralistik geführt; es stellt sich für die Verantwortlichen folglich nicht die unangenehme Frage der Haftung, sondern die angenehme nach dem Gemeinwohl. Und mit dem läßt sich noch jede Ausgabe begründen.

Am Tropfe hängt, zum Tropfe drängt in der Hauptstadt die öffentliche Hand wie die Wirtschaft. Nach dem Fall der Mauer war Schuldenmachen ein probater Ersatz für den Wegfall der Berlinsubventionen. Hauptstadtbonus, Olympiastandort lauteten die spekulativen Wechsel auf die Zukunft, die einer nach dem anderen platzten. Die Wirtschaft stagniert, Berlin verzeichnet die geringste Wachstumsrate unter den Bundesländern. Diese Entwicklung ist nicht neu, das daraus resultierende Defizit wurde in den letzten Jahren einfach fortgeschrieben und schöngeredet – die Eckwerte der Krise hätten bereits vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus benannt werden können.Dieter Rulff, 23. 2. 1996