Asiens Perle von innen

Er strandete in Finnland und wurde von einer mongolischen Musikerin aufgelesen. Jetzt unterrichtet der Bremer Martin Bahrenberg an der deutsch-mongolischen Schule „Nummer 38“ in Ulan Bator

Bremen taz ■ Nein, er ist bestimmt kein autoritärer Lehrer. Aber bei so viel Respekt, so viel Freundlichkeit gegenüber Paukern gerät Martin Bahrenberg ins Schwärmen. Kein Muffelgesicht am Morgen, wie er das von Bremer SchülerInnen in Erinnerung hat. Was er an der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator liebt, sind die Mädchen und Jungen der Schule „Nummer 38“. Die sind auch am Wochenende in der Schule anzutreffen, freiwillig, bei allerhand Musik- und Kulturprojekten. Gefeiert wird ständig: der Kindertag, der Lehrertag und alle möglichen Ehrentage, auch Weihnachten und Halloween sind in dem erst buddhistisch, dann kommunistisch geprägten Land als Anlässe gerade recht. „Das kulturelle Leben spielt sich in der Schule ab“, sagt Bahrenberg und fördert die Gesangskünste der SchülerInnen, wo es geht. Mit dem Ensemble „Talin Ochid“ geht er jedes Jahr auf Deutschlandtournee.

Sonst spielt sich in Ulan Bator nicht viel ab. „Die hässlichste und kälteste Hauptstadt der Welt“ – mit diesem Urteil aus der taz schockt er manchmal seine mongolischen Bekannten. „Quatsch, die Perle Asiens“, konterte einer daraufhin. Aber so weit möchte Bahrenberg doch nicht gehen. „Wie können wir unseren Kindern das antun, hier zu leben?“, fragt er sich manchmal. Der Smog schlaucht die Atemwege. Wenn Sohn Immo draußen spielt, dann klettert er lieber von Container zu Container, als sich auf die halb verrotteten Eisen-Klettergerüste zu wagen. Tochter Lisa mag den Kindergarten nicht besonders: zu rigide, um sich hier wohlzufühlen.

Martin Bahrenbergs Beziehung zur Mongolei begann auf einem Folk-Festival in Finnland. Er verpasste den Anschluss nach Helsinki und ließ sich von einer mongolischen Band im Tourbus mitnehmen. Einige Monate später klingelte sein Telefon: „Wir sind in Bremen. Können wir vorbeikommen?“ Heute ist er mit einer der mongolischen Musikerinnen verheiratet. Über die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen fand er eine befristete Stelle an der Schule „Nummer 38“. Hier wird von der ersten Klasse an Deutsch gelernt. „In der Mongolei findet man – prozentual zur Bevölkerung – die meisten Deutschsprecher“, weiß Bahrenberg. Zur DDR gab es einst intensive Beziehungen.

Dass Martin Bahrenberg der Typ ist, der sich schnell zu Hause fühlt, merkt man gleich. Der Typ, der nicht wartet, bis er Zucker zum Kaffee kriegt, sondern zielstrebig in die Küche geht. Ihn stört es nicht, dass er außerhalb seines Kollegiums kaum Kontakte hat. Und auch hier gibt es Dinge, die an dem deutschen Kollegen vorbeigehen. Erst nach Jahren etwa hat er verstanden, warum die Abiturfeier schon vor den Prüfungen steigt. Mancher Kollege ist von dort schon mit einer neuen Waschmaschine nach Hause gekommen.

Trotz allem: „Wenn ich in drei Jahren wieder in Findorff sitze, werde ich Tränen vergießen.“

Annedore Beelte