20 Prozent auf nichts mehr

EINZELHANDEL Die Baumarktkette Praktiker beantragt Insolvenz. Teile des Konzerns sollen erhalten bleiben, wie viele Jobs verloren gehen, ist unklar

Selbst freiwillige Gehaltskürzungen halfen nicht mehr

VON NICOLA LIEBERT

BERLIN taz | „20 Prozent auf alles“, damit warb Praktiker im Fernsehen. Gestern gab es einen Preisnachlass von mindestens 65 Prozent – und zwar auf die Aktie der Baumarktkette. Am Mittwochabend hatte das Unternehmen gemeldet, dass die Banken kein Geld mehr zuschießen und man deswegen zahlungsunfähig sei. Daraufhin stürzte der Kurs der Praktiker-Aktie an der Frankfurter Börse gleich zu Handelsbeginn auf 13 Cent ab. Vor sechs Jahren hatte man dafür noch bis zu 31 Euro gezahlt.

Praktiker fehlen kurzfristig 30 bis 35 Millionen Euro zum Überleben. Der lange Winter und der verregnete Frühling hatten dem wichtigen Gartengeschäft zugesetzt. Die schon fest eingeplanten Einnahmen aus dem Verkauf dreier Baumärkte in Luxemburg fielen aus, als der Käufer absprang. Den Gläubigern ging daraufhin die Geduld aus. „Es hat keinen Sinn mehr, weitere Löcher zu stopfen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen beteiligten Banker.

In der Praktiker-Bilanz klaffen in der Tat schon länger große Löcher. Die jahrelang gefahrene Billigstrategie und die umstrittenen 20-Prozent-Rabattaktionen rechneten sich nicht. Nachdem das Unternehmen das Jahr 2011 mit einem Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro abschloss, segneten die Großaktionäre vor einem Jahr ein Sanierungskonzept ab. Es sah unter anderem den Ausbau der höherpreisigen Schwestermarke Max Bahr vor. Praktiker selbst sollten als Discount-Marke weitergeführt werden.

Doch die Einnahmenausfälle in der ersten Hälfte dieses Jahres machten dem Vorstand einen Strich durch die Rechnung. Dass die Mitarbeiter sich schon im vergangenen Herbst per Tarifvertrag zu einer fünfprozentigen Gehaltskürzung bereiterklärten, half da nicht mehr. Die Lage spitzte sich Anfang der Woche zu, als ein Warenkreditversicherer seine Deckung zurückzog. Ohne diese Garantien gibt es von den Lieferanten nur noch gegen Vorkasse neue Waren.

Gestern beantragte die Geschäftsführung nun Insolvenz wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, allerdings nicht für alle 430 Märkte. Ausgenommen sind die mittlerweile 132 unter dem Label Max Bahr firmierenden Filialen und die rund 130 Märkte im Ausland, vor allem in Ost- und Südosteuropa. Aber auch die Filialen von Praktiker und extra-Bau+Hobby sollen bis auf Weiteres fortgeführt werden. Derweil soll im Rahmen des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan erstellt werden. Von den etwa 12.000 Mitarbeitern in Deutschland arbeitet nach Angaben des Konzerns je etwa die Hälfte für Praktiker und Max Bahr.

Laut einem Sprecher der Gewerkschaft Ver.di könne man derzeit nicht absehen, wie viele Mitarbeiter letztlich von der Insolvenz betroffen seien. In einem Brief an die Mitarbeiter, der der taz vorliegt, erklärt der Vorstand, er gehe davon aus, dass sich der vorläufige Insolvenzverwalter „umgehend“ um die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes bemühen werde. Mitarbeiter, die in den vom Insolvenzantrag betroffenen Filialen beschäftigt sind, sollen „zunächst für drei Monate“ weiterhin Löhne und Gehälter „bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze“ erhalten.