Rechtsanspruch mit Tücken

KLAGE Frühere Verfahren nicht immer erfolgreich

BERLIN taz | Man könnte meinen, dass sich die Geschichte wiederholt: Bevor 1996 ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Drei- bis Sechsjährige in Kraft trat, wurde ebenfalls allerorten eine bevorstehende Klagewelle der Eltern gefürchtet. Geklagt wurde tatsächlich – aber kaum in einem Ausmaß, das es rechtfertigten würde, von einer Welle zu sprechen.

Die Rechtsdatenbank dejure.org listet 228 Entscheidungen auf, in denen sich Verwaltungsgerichte seit 1996 in irgendeiner Form auf den Betreuungsanspruch beziehen; in den wenigsten Fällen allerdings klagten dabei tatsächlich Eltern einen Kitaplatz ein. Der Blick in die Urteile zeigt, dass ein Rechtsanspruch seine Tücken haben kann. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg etwa kam im Jahr 2005 zu dem Schluss, dass für ein behindertes Kind zwar Anspruch auf einen Platz in einer Spezialeinrichtung besteht – nicht aber auf eine integrative Kindergartengruppe. Der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof lehnte 2003 eine Beschwerde einer Familie ab, der die Kommune nur einen Platz in einer sieben Kilometer entfernten Kita angeboten hatte, weil die wohnortnächste Einrichtung bereits voll war. Einen zehn Kilometer entfernten Kindergarten hielt das Göttinger Verwaltungsgericht dagegen 1998 für unzumutbar: Weil die Eltern berufstätig sind, hätte der Vorschüler allein mit dem Bus zur Kita fahren müssen – das widerspreche dem Rechtsanspruch, meinten die Richter.

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr ein Fall in Mainz: Rheinland-Pfalz hat ein besonders weitgehendes Kindergartenrecht; Eltern haben bereits für Zweijährige Anspruch auf einen Kitaplatz, der überdies nichts kosten darf. Dennoch ging eine Mutter leer aus und kümmerte sich um private Betreuung. Das Gericht gestand ihr daher einen „Folgenbeseitigungs-Entschädigungsanspruch“ von rund 2.200 Euro zu. Das ist Wasser auf die Mühlen der Anwälte und Rechtsschutzversicherer: Sie werben im Internet geschäftstüchtig für den Gerichtsweg. Vors Verwaltungsgericht kann man allerdings auch ohne Anwalt ziehen. BERND KRAMER