Vorboten einer Krise

In Italien brach der Umsatz bei Geflügel um 70 Prozent ein. Deutsche Betriebe melden Einbußen. Frankreich will nun impfen

Eine Impfung hemmt die Ausbreitung der Vogelgrippe bei Nutzgeflügel

VON STEPHAN KOSCH

Die Ente aus der Nähe von Putbus hätte berühmt werden können. Denn sie stand gestern als erstes Nutztier in Deutschland im Verdacht, das Virus H5N1 in sich zu tragen. Vorsorglich wurden alle 106 Enten und Hühner getötet. Später gab das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit aber Entwarnung. Erste Untersuchungen hätten darauf hingewiesen, dass es sich nicht um die auch für Menschen gefährliche Variante der Vogelgrippe handelt. Das genaue Ergebnis wurde für den Abend erwartet.

Wie auch immer – der Alarm hat gewirkt. Zumal in einem Tierheim in Österreich am Mittwoch die ersten H5N1 infizierten Nutztiere der EU entdeckt wurde. Frankreich meldete ebenfalls einen Verdachtsfall. Und sobald H5N1 im Betrieb eines deutschen Geflügelzüchter auftritt, dürfte auch hierzulande die nächste Eskalationsstufe erreicht sein.

Immerhin geht es um eine Branche mit 5 Milliarden Euro Umsatz und 50.000 Beschäftigten. Und die befürchtet massive Geschäftseinbrüche. Zwar könnten auch durchgegartes Fleisch und hart gekochte Eier von infizierten Tieren bedenkenlos gegessen werden, betonen Experten immer wieder. Doch dem Verbraucher dürfte entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hunger auf Putenschnitzel und Chicken-Döner vergehen dürfte. So war es zum Beispiel in Italien, wo die Nachfrage nach Geflügel seit dem ersten H5N1-Fund am 11. Februar um 70 Prozent einbrach und der Umsatz bei Geflügel um 500.000 Euro gesunken ist.

Und auch in Deutschland gibt es Vorboten einer Branchenkrise. Der Hähnchenschlacht- und Verarbeitungsbetrieb Emsland Frischgeflügel aus Haren meldete gestern einen aktuellen Umsatzrückgang von 10 Prozent. Zum Wochenanfang seien es sogar 20 Prozent gewesen.

Der gestrige Verdachtsfall gab dann auch der Diskussion um Impfung der Geflügelbestände neuen Auftrieb. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) sagte nach einem Besuch des Friedrich-Löffler-Instituts, dass nach Alternativen zum Aufstallen und der Tötung von Tieren gefragt werden müsse. Denn weil die Vogelgrippe Deutschland noch länger beschäftigen werde, habe das Institut empfohlen, über die Entwicklung einer Impfstrategie nachzudenken. Der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU) sprach sich im Deutschlandfunk dafür aus, das Impfverbot gegen Vogelgrippe für Nutztiere auch in Deutschland zu lockern. Und Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) sagte: „Wir müssen in Deutschland die Frage der Impfung von Geflügel ausführlich erörtern.“

Geimpfte Tiere lassen sich nicht mehr von infizierten unterscheiden

Dabei hatte das Bundesagrarministerium noch am Mittwoch seine Skepsis gegenüber Impfungen betont. Mit einem guten Argument: Geimpfte Tiere lassen sich nicht mehr von infizierten unterscheiden. Beide bilden Antikörper gegen das Virus aus. An einem Impfstoff mit so genannten Markern, der die Unterscheidung möglich macht, arbeitet das Friedrich-Löffler-Institut zwar gegenwärtig. Es wird aber noch zwei bis drei Jahre dauern, bis dieser vorliegt.

Eine andere Möglichkeit, das Vogelgrippevirus in einem geimpften Bestand festzustellen, klingt zunächst praktikabel: Einfach ein paar Tiere ungeimpft lassen. Wenn diese dann Antikörper ausbilden, ist das Virus da. Das funktioniert aber nur bei vergleichsweise kleinen Gruppen von Geflügeln. Doch es gibt auch Argumente für die Impfung. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems wird die Erregerausscheidung im Fall einer Infektion des Tieres zwar nicht vollständig unterbunden, aber drastisch reduziert. Deshalb lässt sich die Ausbreitung der Vogelgrippe in Nutzgeflügelbeständen durch eine Impfung verlangsamen.

Frankreich und die Niederlande jedenfalls werden offenbar bald impfen. Allerdings erlaubt die Europäische Union das nur für bestimmte Geflügelarten in bestimmten Regionen. Ob Deutschland nachzieht, wird sich möglicherweise kommenden Donnerstag entscheiden. Für diesen Tag hat Horst Seehofer Experten aus dem In- und Ausland zu einem Gespräch über die Impfproblematik eingeladen.