Urlaub im Stückwerk

BAUSTEINE Aus bunten Einzelteilen eine eigene Welt zusammensetzen – Lego-Klötzchen regen die Fantasie an. Im dänischen Legoland ist alles schon da. Ein Familienwochenende im Plastikpark

Feuer, Wasser, Erde, Luft oder die Zelle, Moleküle, Atome wurden mal zu fundamentalen Bausteinen des Lebens gekürt. Sie haben diese Ehre nicht verdient. Denn die Elementarteilchen kommen aus dem idyllischen Billund im sanft behügelten dänischen Nirgendwo. Dort produzieren 750 Spritzgussmaschinen im Drei-Schicht-Betrieb genoppte Kunststoffquader in allen nur erdenklichen Farben und Größen: Legosteine.

Im Jahr 1932 vom Tischler Ole Kirk Christiansen als Holzspielzeug unter dem Titel „Leg godt“ (Spiele gut) eingeführt, ist Lego heute als soziales Plastik so beliebt wie nie zuvor. Mit Lego kann jeder Gott spielen, Welten kreieren oder aus Vorlagen frei entwickeln. Meist geht es darin existenziell zu: Es kämpft eine gute Macht gegen eine böse und der siegreiche Held lernt etwas dabei. Wenn Ferien sind, muss man all das nicht einmal selbst zusammensetzen, sondern kann einfach darin Platz nehmen. Im Legoland Billund.

1968 eröffnet, hat das Unternehmen hier nach eigenen Angaben etwa 60 Millionen Plastiksteinchen verarbeitet. Aneinandergelegt würden sie bis nach Verona reichen. Zusammengesetzt aber zeigen sie, was alles möglich ist: totale Legolisierung, ein konstruktivistisches Weltbild.

Das Herzstück des Freizeitparks ist das „Miniland“, in dem Stadtbilder – beispielsweise Bergen, Amsterdam – und internationale Sehenswürdigkeiten en miniature aus Legosteinen nachgebaut sind. Autos, Schiffe, Züge trödeln herum. Ein Fest für Freunde der Spur-0-Modelleisenbahnlandschaften. Kinder finden das eher langweilig, nutzen die dezenten Interaktionsmöglichkeiten. Sie steuern den Kran an einer Bohrinsel oder Webcams, um „Transformers“-Figuren in einem Stadtbild Los Angeles’ zu filmen.

In den angrenzenden Themenarealen ruckelt und zuckelt man gemütlich im Safariwagen durch Afrika, mit der Eisenbahn ins Goldschürfer-Amerika. Das Indianerland ist mit einer Kanufahrt, Robinson Crusoes Insel per ruderlosem Ruderboot zu erobern. Dazu passende Menschentypen und Tiere sind im 1:1-Maßstab zu Lego-Statuen geworden.

Der Park ist ideal für Vier- bis Zwölfjährige – und Eltern, die die Tagesverpflegung hinterher schleppen. In pompös-schniekem Aquarium wetteifern böse Haie und liebe Meeresbewohner um die Aufmerksamkeitsgunst und beleben die ins Wasser inszenierte „Atlantis“-Welt der Lego-Baukastensets. Siebzehn lustige Eselspinguine watscheln und plantschen zur Unterhaltung der Pizzeria-Kunden durch ihr 160 Quadratmeter großes Antarktis-Schaufenster.

Ansonsten: Das Echte, Natürliche, Unverfälschte gibt es in Legoland nicht. Es ist eine komplett künstliche Urlaubswelt, eine atemberaubende Scheinwelt. Und das beginnt ganz sanft bei der Übernachtung. Wer nicht das etwas überbordend designte Legohotel, sondern im „Village“ des Ressorts bucht, ist bestens bedient.

So geht Familienurlaub: Tiere zum Füttern sind dort, Kettcars zum Losrasen, ein Bällebad, gigantische Hüpfkissen, Abenteuerspielplatz. In Hütten, Ein-Familien-Reihenhauszimmern oder bei noch rustikalerem Camping wird gelebt. Geschmückt ist mit kleinen Irritationen für die Markenbindung: Lego-Vogel auf dem Dach, Lego-Platte als Plissee-Vorhang, Duplo-Pferdefigur als Handtuchhalter, Mülleimer im Noppen-Outfit.

Die Neuorientierung des dänischen Traditionsunternehmens ist im Abenteuerpark nur ganz dezent präsent. Lego stand Ende 2003 vor der Pleite. Da plötzlich alles zu Lego erklärt wurde, wusste keiner mehr was Lego ist: Klamotten, Brillen, Uhren, Fahrräder, Plastikklötzchen. Zudem verabschiedeten sich Kinder verstärkt in die Computerspielewelt.

Heute ist Lego wieder Lego. Bunte Bausteine, die zusammenpassen und Figuren mit ins Gesicht gemalten Charakteren. Der aktuelle Erfolg ist auch einer in Kooperation mit dem Zeitgeist. Spielserien zu Kinofilmen steigern den Umsatz und mit aufwändigen Technik-Bausätzen werden zunehmend erwachsene Männer angesprochen. Recht pfiffig angesichts der demografischen Entwicklung.

Umso enttäuschender daher der „Star Wars“-Bereich im Legoland. Ein paar Filmszenen nachgebaut, wie es zu Weihnachten auch in Kaufhäusern zu sehen ist, dazu Piffpaffpuff-Geräusche, das ist alles. Und trotzdem sieht man sie: Die Väter, die begeistert Legosteine filmen.  JENS FISCHER