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Telios treue Kunden

HAFT-TELEFONIE

Ein Anruf aus dem Gefängnis kann viele Probleme bringen. Zum Beispiel, wenn bei dem Opfer eines Straftäters das Telefon klingelt, wenn alte Komplizen miteinander in Kontakt treten oder wenn sich neue finden – um etwa mit Drogen zu handeln.

Die Hamburger Firma Telio verkauft deutschen Justizbehörden deshalb ein spezielles Konzept für die Knast-Telefonie: Der Anbieter schaltet für jeden Gefangenen nur die Nummern von Verwandten und Anwälten und Behörden frei. Und all das funktioniert ohne Telefonkarten. Denn die könnten im Gefängnis zur Währung werden.

Telios Ideen sind gut und sinnvoll. Doch diese Zusatzleistungen kosten Geld, und diese Kosten legen die Justizbehörden bisher komplett auf die Gefangenen um. Ein halbstündiges Gespräch in den Nachbarort kostet mit Telio über fünf Euro – draußen nur ein paar Cent.

Für den Staat und das Unternehmen ist diese Lösung augenscheinlich optimal. Die Bundesländer werden Kosten und Verantwortung los und Telio besetzt als Monopolist einen Markt, der ihm buchstäblich nicht weglaufen kann. Die einzigen Verlierer sind die Häftlinge: Sie haben keine andere Wahl, als die Gebühren zu zahlen.

Doch für die Landesregierungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die in der vergangenen Woche die Kooperation mit Telio gegen Kritik der Hamburger Grünen verteidigten, würde es sich lohnen, einen Blick ins Strafvollzugsgesetz zu werfen. Die „Aufgaben des Vollzugs“ sind nämlich nicht nur „der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“, den Telio ermöglicht. Sondern auch, den Gefangenen zu befähigen, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“.

Wie das gelingen soll, wenn sich Gefangene den Kontakt zu Familie und Freunden über viele Jahre kaum leisten können – dafür hat Telio bisher kein Konzept geliefert.  KLU

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