Harksens Eigentor

Millionärsbetrüger Jürgen Harksen hat seine Biographie veröffentlicht und sich damit selbst um eine vorzeitige Haftentlassung gebracht

Von ELKE SPANNER

Jürgen Harksen hat sein Geld schon immer mit Geschichtenerzählen verdient. Anfang der 90er Jahre tischte er Mitgliedern der Hamburger High Society wundersame Märchen darüber auf, wie sich ihr Geld in seinen Händen vermehren werde, und bereicherte sich um so viele Millionen, dass ihm das Zählen irgendwann langweilig wurde. Nun erzählt der Lügenbaron von einst seine Geschichte, die ihm zu unermesslichem Reichtum verhalf und seinen Geschäftspartnern zur Blamage ihres Lebens.

Gestern ist das Buch des Millionärsbetrügers erschienen, das er im Gefängnis zusammen mit dem Autoren Ulf Mailänder geschrieben hat: „Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm“. Wem es Genugtuung bereitet, an der Demütigung von Mitgliedern des Establishments teilzuhaben, der sollte sich die Lektüre nicht entgehen lassen.

Schätzungen belaufen sich darauf, dass Harksen Anleger um rund 35 Millionen Mark betrogen hat. Er bot ihnen an, sich an einem Investment bei Spekulationsgeschäften mit Öl in Norwegen zu beteiligen und versprach sagenhafte Renditen von bis zu 1.300 Prozent. Nur: Das Investment gab es nie. Als Harksen 1993 aufflog, floh er nach Südafrika, wo er mit seiner Familie neun Jahre lang im Luxus schwelgte. Im Herbst 2002 wurde er an Deutschland ausgeliefert. Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn im April 2003 zu sechs Jahren und neun Monaten Haft. „Auch leichtfertige Betrugsopfer werden geschützt“, sagte der Richter.

Die einsamen Stunden in der Gefängniszelle hat Harksen dazu genutzt, sein Buch zu schreiben. Darin bittet er die Betrogenen zunächst um Entschuldigung. „Aus purem Übermut, getrieben vom Wunsch nach Anerkennung, missbrauchte ich das Vertrauen von Menschen, die nur das von mir wollten, was ich von ihnen bekam: Geld“, schreibt er, und: „Dafür bitte ich um Verzeihung.“ Eine Selbstanklage sind die übrigen 300 Seiten hingegen nicht. Vielleicht wäre es auch zu viel verlangt von Harksen, die Rolle des Spitzbuben abzulegen, über die er sich einen Großteil seines Lebens definierte. Doch seine Entschuldigung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich in dieser Rolle immer noch gut gefällt. Harksen, heute 46 Jahre alt, feiert sich als „Robin Hood“. Tatsächlich hat er damals nur steinreichen Menschen Geld abgenommen, die selbst Millionenverluste verschmerzen konnten. Der Arme aber, dem er es gegeben hat, das war Jürgen Harksen selbst.

Und damit kokettiert er noch heute. „Je tiefer ich in ihre Welt eindrang, desto größer wurde meine Empörung“, schreibt er. „Wie abschätzig sie von allen Menschen redeten, die ärmer waren als sie.“ Charmant geht er darüber hinweg, dass der Luxus, den er anhäufte, nicht nur Mittel zum Zweck war, um den Deppen rundum vor blendender Kulisse ihr Geld abzuknöpfen. Sondern dass er das feudale Leben mit Villen und Privatjets in vollen Zügen genoss.

Seine Geschichte ist nicht zu erzählen, ohne von der Naivität, der Geldgier und Überheblichkeit seiner Kunden zu berichten. Man darf lachen über den Vorstandschef einer Versicherungsgesellschaft, der an einen Silvesterausflug zum Mond glaubt und mal eben einen Scheck über 500.000 Mark als Anzahlung rüberreicht. Aber warum muss Harksen noch vom „intensiven Mundgeruch“ jenes Herren berichten, der über die Anekdote doch schon sein Fett wegbekommen hat? Schlussendlich schneidet in jeder Szene Harksen selbst als bester ab. „Du bist einfach zu gut für diese Welt“, schreibt er einmal.

Dummerweise haben auch die Richter einen Vorabdruck des Buches gelesen, die über seine vorzeitige Haftentlassung zu entscheiden hatten. Im Gefängnis hat sich Harksen tadellos geführt, schon lange arbeitet er als Freigänger tagsüber in einem Restaurant. Seine Chancen hätten gut gestanden, nach zwei Dritteln der verbüßten Zeit entlassen zu werden. Doch dann schrieb er das Buch und schoss damit ein Eigentor: Das Oberlandesgericht erkannte „Geltungsdrang“ sowie „eine erhebliche Schamlosigkeit im Umgang mit seinen Straftaten“ – und entschied, dass Harksen seine Strafe bis zum letzten Tag absitzen muss.

Jürgen Harksen (und Ulf Mailänder): „Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm“, Frankfurt 2006, 320 Seiten, 19,90 Euro