Endlich ein Gesicht

Amelie Kober gewinnt Silber für den jungen deutschen Snowboardverband

TURIN taz ■ „I bin net vom Himml gfalln“, sagt Amelie Kober am Morgen danach, und weil sie dabei so nett lächelt, beschließt man sogleich, dass genau das der richtige Satz sei, um die kleine Geschichte über die Olympiazweite im Parallel-Riesenslalom der Snowboarder zu beginnen. Und so geht es heute also damit los, dass es durchaus Menschen gab, die die Silbermedaillengewinnerin Amelie Kober auf der Rechnung hatten bei der Entscheidung in Bardonecchia, zum Beispiel Daniela Meuli, ihre Finalbezwingerin aus der Schweiz. Meuli hatte schon vor den olympischen Rennen anklingen lassen, dass man die junge Deutsche mit einkalkulieren müsse. Amelie Kober, zweifache Vizeweltmeisterin bei den Junioren und in diesem Weltcupwinter bereits auf die Plätze zwei, vier, sechs, neun und zehn gefahren, war in der Szene also das, was man eine Geheimfavoritin nennt. Snowboarder bevölkern mittlerweile zwar allüberall die Pisten, bei Olympia aber kommen sie nach wie vor eher am Rande vor, in Deutschland noch mehr als anderswo.

Deswegen sitzt am Tag nachdem Amelie Kober Silber gewonnen hat, auch Timm Stade da oben auf dem kleinen Podest der Pressekonferenz. Stade ist Sportdirektor und Geschäftsführer des Snowboard-Verbandes Deutschland (SVD). Er will die Gunst der Stunde nutzen, um erst einmal Grundsätzliches zum Ernst der Lage der deutschen Snowboarder loszuwerden. Er sagt zum Beispiel: „Snowboard hat in Deutschland immer noch keinen Stellenwert.“ Oder: „Wir haben in Deutschland immer noch keine Halfpipe“, also eine dieser Röhren, in denen die Snowboarder ihre Kunststückchen vorführen, was, so Stade, gar nicht gut sei, weil: „Nachwuchs rekrutierst du ohne Halfpipe keinen.“ Es ist kein besonders rosiges Bild, das der SVD-Geschäftsführer da zeichnet, aber jetzt wird bestimmt alles anders – und natürlich besser. Sie haben ja jetzt Silber bei Olympia. Stade sagt: „Ich hoffe, dass die Medaille von Amelie an allen Ecken und Enden wirkt.“

Der SVD, das muss man vielleicht noch erzählen, um Timm Stade so richtig zu verstehen, hat sich erst vor drei Jahren gegründet. Das heißt: Er hat sich vor drei Jahren abgespalten vom Skiverband, dem seine Snowboardabteilung zu viel Geld gekostet und zu wenig gewinn-, also medaillenträchtig war. Der SVD ist also der jüngste olympische Fachverband in Deutschland, gegründet erst am 1. Januar 2003. Da gab es viel Arbeit, vor allem leistungssportgerechte Strukturen mussten eingeführt werden. Es war eine zähe Arbeit im Hintergrund, sportliche Erfolge für den Vordergrund stellten sich nur gemächlich ein, auch hier bei Olympia: Platz acht und neun gab es in der Halfpipe, was gut war, aber in den deutschen Medaillenfluten doch unterging. Aber dann kam am Donnerstag ja Gott sei Dank Amelie Kober, nicht nur live in Bardonecchia, sondern auch zur besten Sendezeit im ZDF. Seitdem haben die deutschen Snowboarder endlich ein Gesicht für ihren Verband und eine Belohnung für ihre Bemühungen.

Es ist mit seinen 18 Jahren ein sehr junges Gesicht, ein natürliches und frisches obendrein. Das ist nicht unwichtig für den weiteren Fortgang der Geschichte, weil es maßgeblich darüber entscheiden wird, wie lange sich Amelie Kober nun halten kann im Bewusstsein der Medien. Amelie Kober ist jetzt das Covergirl der deutschen Snowboarder, aber nicht unwesentlich wird sein, auf welchen anderen Covern man sie in nächster Zeit noch sehen wird. Für „Bravo Girl“ hat sie vor den Spielen schon posiert, mit „Stiefeln und sexy Durchguck-Oberteil“, wie Bild gestern zu berichten wusste.

Dinge wie diese können, ob man sie mag oder nicht, hilfreich sein. Für den deutschen Snowboard-Verband – und natürlich auch für Amelie. Allerdings sollte sie darüber nie vergessen: Sportlicher Erfolg wird auch in Zukunft nicht vom Himmel fallen. FRANK KETTERER