die taz vor 19 jahren über den geist des schnellen geldes
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Höher, weiter, schneller – die sportlichen Tugenden waren immer auch Erfolgsprinzipien der Marktwirtschaft. Die von allen Experten als weitgehend erfolglos eingeschätzte Währungskonferenz vom Wochenende zeigt einmal mehr, daß diese Prinzipien in unserem Wirtschaftssystem zu Geistern geworden sind, die diejenigen, die sie gerufen, nicht mehr loswerden.

Die Welt-Marktwirtschaft, insbesondere der Kapitalverkehr läuft immer schneller, auf immer höheren Touren, auf einen Kreislaufkollaps zu, geradewegs wie ein Sportler, der außer den drei Prinzipien nichts im Kopf hat. Marktwirtschaftlich angeblich notwendige technische Erneuerungen haben es mit sich gebracht, daß inzwischen so viel Geld so schnell elektronisch um die Erde gejagt werden kann, daß dagegen kein staatliches Interventionskraut mehr gewachsen ist.

Allein die Eurogeldmärkte umfassen 2,5 Billiarden Dollar, die durch Knopfdruck in Bewegung gebracht werden können! Von Zentralbanken garantierte fixe Wechselkurse können einfach nicht mehr festgelegt werden. Die Dämme wären viel zu dünn, um die Billiardenflüsse der Spekulanten im Fall der Fälle aufzuhalten, wenn aufgrund einer vorerst lokalen Krise der „run“ einsetzt.

Und der Fall der Fälle droht: Allerorten ist der Ruf nach noch stärkerer Liberalisierung der Finanzmärkte vernehmbar: Noch schneller sollen noch höhere Summen noch weiter transportiert werden können, Londons Big Bang war eine weitere Etappe.

Daß hier offenbar kein Einhalt möglich ist, auch zu Zeiten, da die Schuldnerländer in eine immer bedrohlichere Lage kommen – bedrohlich für das globale Finanzsystem – zeigt, daß die Geister des in jeder Hinsicht schnellen Geldes das Heft vollständig in der Hand haben.

Ulli Kulke, taz vom 25. 2. 1987