Woran erkennt man Propaganda?

LERNGEWINNE Ästhetische Lesart oder Intervention zugunsten des nationalistischen Flügels in Rumänien? In der TU wurde über den Film „Portrait of the Fighter as a Young Man“ diskutiert, der auf der Berlinale zu sehen war

Die endlosen Kämpfe im Wald bekommen durch den Abspann einen schlimmen Status

VON BERT REBHANDL

Wie es aussieht, hat die Berlinale in diesem Jahr einen Film gezeigt, der als Heldenerzählung über einen notorischen Antisemiten und rechtsnationalen Mann zu sehen ist. Jetzt wurde darüber diskutiert.

Der rumänische Beitrag „Portrait of the Fighter as a Young Man“ von Constantin Popescu lief im Forum und stellte mit seinen fast drei Stunden in monotoner Dramaturgie für viele Zuschauer eine zu große Belastung dar. Sie verließen deswegen vorzeitig den Saal und bekamen nicht mehr mit, dass die gespielten Szenen aus dem rumänischen Partisanenkampf gegen das kommunistische Regime in den Fünfzigerjahren am Ende einen ganz konkreten Sitz im Leben bekamen. Im Abspann wird nämlich der jugendliche Held des Films mit einer realen Figur der rumänischen Geschichte ganz ausdrücklich identifiziert: mit Ion Gavrila-Ogoranu, der 2006 hochbetagt starb. Erst wenn man sich über diesen Mann näher informiert, wird man Popescus Film ausreichend verstehen können.

Diesem Ziel war am Dienstag die Diskussion im Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin gewidmet. Noch während des Festivals war aus Rumänien vom Nationalen Elie-Wiesel-Institut für Holocaust-Forschung die Absetzung des Films gefordert worden, worauf Christoph Terhechte, leitender Kurator des Forums, sich nicht einlassen wollte. Er verteidigte nun erneut seine Position, die vor allem auf eine ästhetische Lesart hinausläuft: „Ich sehe einen Film, der drei Stunden dauert, der auch quält mit dieser Dauer. Das ist sicher kein Propagandafilm.“

Dem widersprach begrifflich nicht ausdrücklich, aber in der Sache doch bestimmt der in Berlin lebende rumänische Intellektuelle und Dichter William Totok, dessen kurzfristige Einladung sich als Glücksfall erwies. Er führte im Detail aus, dass Popescu in seinem Film zahlreiche historische Figuren auftreten lässt, ohne die näheren Umstände ihres antikommunistischen Engagements zu beleuchten. Und es gibt mehr als diesen einen blinden Fleck. Fast alle Figuren stammen aus dem rechtsnationalen, antisemitischen Umfeld der rumänischen Legionärsbewegung, und Popescu ließ sich für sein Drehbuch maßgeblich von den Memoiren von Ion Gavrila-Ogoranu leiten, der noch nach seinem Tod ein Idol der rumänischen Rechten ist.

Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung und Gastgeber des Abends an der TU, bemühte für Popescus Vorgehen folgenden Vergleich: Es sei, als würde man in Deutschland einen Film machen, in dem ehemalige SA-Männer nach dem Krieg in Robin-Hood-Manier weiterkämpfen, ohne dass ihr Zusammenhang mit der SA auch nur erwähnt würde. Benz hielt mit seiner Schlussfolgerung nicht hinter dem Berg: „Es legt sich die Vermutung nahe, dass der Film vielleicht etwas Bestimmtes will.“

Dieses Bestimmte lässt sich nach den gründlichen Erörterungen von William Totok benennen: Constantin Popescu hat für ein eingeweihtes Publikum ein Heldenepos auf Ion Gavrila-Ogoranu und vergleichbare Figuren geschaffen, das in der gegenwärtigen rumänischen Geschichtspolitik eindeutig die Interessen eines bestimmten rechtsnationalen, antisemitischen, orthodox-christlichen Flügels vertritt; das aber einem nicht in diese Details eingeweihten Publikum als zwar befremdlicher, gerade deshalb aber künstlerisch herausfordernder Film erscheinen mag.

Eine Diskussion der künstlerischen Mittel von Popescu unterblieb, nicht zuletzt deswegen, weil nur ein Drittel der Besucher den Film selbst gesehen hatte. Tatsächlich ist er wie ein Kippbild strukturiert, denn die ganzen langen Szenen von endlosen Kämpfen im Wald (die erzählte Zeit zieht sich über viele Jahre) bekommen eben erst durch das Manöver im Abspann einen Status, der den Film als ausdrückliche Intervention in einen Diskurs der nationalen Selbstverständigung erscheinen lässt.

Der Abend endete mit einer Frage an Christoph Terhechte. Ob er denn einen „Lerngewinn“ zu verzeichnen habe nach all den Auskünften über den Film? Der ehemaliger Filmkritiker beharrte auf dem ästhetischen Eigenwert von „Portrait of a Fighter“, mochte aber nicht ausschließen, dass Popescus Werk „von der falschen Seite als Zeugnis missbraucht“ werden könnte.

Die besseren Argumente aber hatten an diesem Abend jene, die, wenn nicht ausdrücklich einen „faschistischen Propagandafilm“, so doch eine aktuelle Variante dessen gesehen hatten, die in ihrer ganzen befremdlichen Machart von avancierter Festivalästhetik schwer zu unterscheiden ist.