Das Herz schlägt Punk

Im Stadtteil Bilk trifft sich die unabhängige Kunst- und Musikszene Düsseldorfs. Mittendrin steht das Vereinsheim „Brause“. Ein Kunstverein, in dem jedes zahlende Mitglied das Programm mitbestimmt

AUS DÜSSELDORFMAIK BIERWIRTH

Als Sudi abends den Kulturverein „Brause“ aufschließt, wirkt er nur wenig motiviert. Er ist zum Thekendienst eingeteilt. Dafür gibt es zwar die Anerkennung seiner Vereinskollegen, aber kein Geld. Denn streng genommen ist die „Brause“ an der Bilker Allee in Düsseldorf ein Vereinsheim. Die Räume sehen allerdings nicht so aus, ähneln vielmehr einer kleinen Bar. Hier stehen Sofas, dort ein Tresen. An den Wänden hängt zeitgenössische Malerei und Fotografie. Willkommen in der Metzgerei Schnitzel.

Vor knapp fünf Jahren gründete Carsten Johannisbauer den Kunstverein mit drei Freunden, um unkommerziell Konzerte oder Ausstellungen zu organisieren. Zuvor hatten die vier bereits unter dem Namen Celluloid Suckers Filmabende in Programmkinos veranstaltet. Das war irgendwann nicht mehr genug. Außerdem wollten sie einen festen Ort haben, an dem gute Musik läuft und das Bier nicht so teuer ist. Man könnte auch sagen: einen Treffpunkt für Gleichgesinnte. Für Menschen mit ähnlichen Interessen. Ganz programmatisch heißt es auf der Homepage: Die Wurzeln liegen „im Punk, was aber nur aussagt, wie unser Herz schlägt und nicht, welche Musik wir hören.“

Sudis Stimmung wird wieder heller. Was auch daran liegt, dass er gerade „Laughing Stock“ von Talk Talk aufgelegt hat. Am Tresen sitzt Andreas, Vereinsmitglied und Sänger der Band Kiesgroup, die demnächst ihr zweites Album „Gladbach oder Hastings“ veröffentlicht. Ihre Plattenfirma Lovely Little Label, kurz: Lolila, hat ihr Büro nur einen Katzensprung von der „Brause“ entfernt. Sudi sagt über das Vereinsheim, dass es quasi in einem Fadenkreuz liege: Zwischen der Redaktion des Net-Fanzines Triggerfish, dem linken Zentrum Hinterhof, dem Drum‘n‘Bass-Label Combination und dem damenundherren, einem Kunstverein, der weiter oben an der Straße in einem alten Friseurgeschäft residiert. Johannisbauer ist Vorsitzender von Metzgerei Schnitzel und Sänger bei der Punkband Oiro, deren erste LP „Als was geht Gott an Karneval?“ kürzlich von den Musikgazetten Spex und Intro hofiert wurde. Außerdem ist er federführend beim Fanzine Blurr tätig, das bald sein 15-jähriges Jubiläum feiert. Geld verdient er damit nicht. Dafür arbeitet er als Grafik-Designer und lehrt an der Fachhochschule Medienpädagogik.

Rund 70 Mitglieder hat die Metzgerei Schnitzel derzeit. Jeder von ihnen zahlt 60 Euro im Jahr und darf dafür in eigener Regie Veranstaltungen machen. So kommen zuweilen skurrile Abende zustande, wie der Hulahoop-Contest, bei dem jeder Gast mitmachen musste. Doch all das hilft nichts, wenn sich der Stadtteil Bilk, wo die Metzgerei Schnitzel sitzt, wandeln sollte. Carsten spricht von Gentrifizierung, was in der Geographie einen Prozess beschreibt, in dem sich ein einst hochwertiges Stadtviertel mit nunmehr weniger Wohnqualität wieder zum In-Viertel verändert. „Die Stadtobrigen schmücken sich mit der kulturellen Vielfalt, die Werber und Banker ziehen ins Viertel und die Mieten steigen, bis wir sie uns nicht mehr leisten können“, befürchtet Carsten und hofft, dass die Entwicklung auf sich warten lässt.

Am kommenden Donnerstag präsentiert die „Brause“ Foto-Kunst von Dan Didier. Der Amerikaner ist in erster Linie Schlagzeuger der Emo-Band Maritime. Zur Vernissage spielt Home of the Lame. „Diesen Emo-Sound wird es wohl immer geben“ sagt Sudi und dreht die Talk Talk-Platte um.

Infos: www.metzgereischnitzel.de