Verloren auf der Alm, Absage auf der Mailbox

Mittelmaß im Westfalen-Derby: Arminia Bielefeld besiegt Borussia Dortmund mit Glück 1:0. Doch im Zentrum steht das Duell zwischen DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann und Dortmunds verbitterten Ex-Nationalspieler Christian Wörns

BIELEFELD taz ■ Bei jedem Ballkontakt wurde er ausgepfiffen. Wie das so ist, wenn sich Publikumslieblinge durch Aktivitäten auf dem Transfermarkt in Lieblingsfeinde verwandeln. Ein paar Mal setzte Delron Buckley zu diesen unwiderstehlichen Dribblings an, wegen derer sie ihm in Bielefeld zu Füßen gelegen hatten und T-Shirts mit dem Schriftzug „Buckleyfeld“ drucken ließen. Doch der Abschluss misslang. Nicht zum ersten Mal, seitdem er für die Borussia aufläuft. Es sieht nicht so aus, als ob in naher Zukunft BVB-Fans Kleidungsstücke mit „Buckleymund“ spazieren tragen würden.

Am Samstag in der Schüco-Arena durfte der Rückkehrer mal wieder über 90 Minuten ran. Verhindern konnte er die 0:1-Niederlage nicht. „Wir spielen zwar guten Fußball“, sagte der Südafrikaner hinterher, „aber der letzte Pass will uns nicht gelingen“. Das mit dem „guten Fußball“ sah auch Bert van Marwijk so. „Wir hatten gegen Bremen und in Bielefeld insgesamt zehn hundertprozentige Chancen und haben kein Tor erzielt“, ärgerte sich der Dortmunder Trainer und nahm einen Schluck vom Frustbier. In Ostwestfalen hatte sich seine Elf trotz gefühlter „80 Prozent Ballbesitz“ (Marwijk) in der ersten Halbzeit vor allem durch Verzagtheit vor dem Tor hervorgetan. Weil Arminia zugleich genau „das machte, was wir eigentlich nicht machen wollten“ (Trainer Thomas von Heesen), entwickelte sich ein einschläferndes Spiel. Folgerichtig mussten die Dortmunder beim Bielefelder Führungstreffer (45. Minute) kräftig mithelfen, indem sie einen Freistoß in die Füße des Gegners spielten. Mittelfelddauerrenner Rüdiger Kauf schloss den vorzüglichen Konter schlenzend ab.

Die chaotische und unterhaltsame zweite Hälfte offenbarte zwei Dinge: Die BVB-Spieler leiden unter chronischer Ladehemmung, und die Bielefelder sind Könige im Nervenstrapazieren. Zum wiederholten Male verpassten sie es bei einem Heimspiel, einen ihrer zahlreichen Konter zu einer beruhigenden Zwei-Tore-Führung abzuschließen.

„Wir sind jetzt im Mittelmaß angekommen“, bilanzierte Sebastian Kehl, und das klang so, als wäre das Mittelmaß ein so angenehmer Ort wie die Arena AufSchalke für die schwarz-gelben Fans. Was in Dortmund Ernüchterung auslöste, sorgte in Bielefeld für Freudentänze: die Ankunft im Mittelfeld der Liga. Sieben Punkte Vorsprung haben sie nun auf einen Abstiegsplatz und nur noch zwei Punkte Rückstand auf den westfälischen Rivalen. „Wir haben oft genug nach guten Spielen Komplimente bekommen, heute zählen nur die Punkte“, wies Bielefelds Präsident Hans-Hermann Schwick jede Stilkritik zurück.

Selbstvertrauen – damit ist auch jener Spieler ausgestattet, der in Bielefeld im Fokus von Fans und Pressevertretern stand. Zum wiederholten Male fiel Christian Wörns als zweikampfstärkster Spieler auf. Weil aber momentan vornehmlich jene Borussen zur Nationalmannschaft eingeladen werden, die auf der Ersatzbank sitzen, ist es um das Klima zwischen „Klinsijogiolli“ und dem BVB nicht gerade gut bestellt. Im Zentrum steht dabei das Theater mit den Akten „Absage auf Mailbox“, „Alles Lüge!“ und „WM ade“. Wörns wiederholte am Wochenende seine Kritik an DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann: „Wenn es optimal ist, dass ich meine Nicht-Nominierung über einen Journalisten erfahre und ich dann meine Mailbox abhöre, und da quatscht er mir irgendein Gesabbel drauf, das man nicht nachvollziehen kann, dann ist das wirklich unterste Schublade.“

Nachdem auch noch Michael Ballack als Deus ex Machina auftauchte und sich für den Verteidiger alter Schule stark machte, dürfen sich die Zuschauer auf eine Fortsetzung des Stückes gefasst machen. ANDREAS BEUNE