Persische Netzaktivisten

VOLLEYBALL Das iranische Team überrascht in der Weltliga. Der Sport könnte Ringen und Gewichtheben den Rang ablaufen

Deutsche und Iraner waren als Außenseiter in der Weltliga angetreten, doch beide Mannschaften zeigten starke Leistungen

TEHERAN taz | Der Lärm war ohrenbetäubend, jeweils 15.000 iranische Fans machten die Azadi Hall an zwei Abenden zum Hexenkessel. Schon drei Stunden zuvor hatten sie die Sportstätte gestürmt. Es war das zweite Heimspiel-Wochenende der iranischen Volleyballer bei ihrer Weltliga-Premiere. Am Freitag peitschten die Fans ihr Team noch zum 3:0-Sieg, tags darauf nutzte das nichts. Die deutschen Volleyballer zeigten sich nervenstark und siegten in drei Sätzen (25:21, 25:23, 25:22). Damit schlossen sie die Weltliga-Vorrunde auf Platz drei ab, mit 17 Punkten vor Serbien, dem Iran und Kuba.

DVV-Präsident Thomas Krohne war irritiert von den Fans: „Ich finde es sportlich unfair, in der Konzentrationsphase beim Aufschlag ausgepfiffen zu werden, aber Jochen Schöps sagte mir, dass es da noch Schlimmeres gibt.“ Der Teamkapitän hat wohl schon andere Erfahrungen gemacht. Krohne haderte aber auch mit den Leistungsschwankungen seiner Nationalmannschaft: „Ich hatte gehofft, dass wir mit zwei klaren Siegen die Finalrunde in Argentinien erreichen.“ Das war nach dem schlechten Freitag-Spiel nicht mehr möglich. Umso mehr freute sich der Verbandschef, „dass die Spieler danach die richtige Reaktion gezeigt haben“.

Nach bis dato starken Auftritten mit Siegen gegen Kuba, in Serbien und gegen Olympiasieger Russland drohte der so gute Eindruck zu verblassen. „Das hätte das Team nicht verdient gehabt“, so Krohne, nun stehen fünf Siege in zehn Spielen zu Buche. Und Jochen Schöps war stolz auf seine Mannschaft, „weil sie den Kampf angenommen hat“. Den gegen Kulisse und Kontrahenten.

Deutsche und Iraner waren als Außenseiter in der Weltliga angetreten, doch beide überraschten mit starken Leistungen. Sie zeigten „Volleyball mit Herz“, wie es Irans Coach Julio Velasco beschrieb. Der Argentinier, der in den 90er Jahren Italien in die Weltspitze führte, machte sich eher Sorgen „um Kopf und Verstand – damit sie nicht überdrehen“. Velasco arbeitet im zweiten Jahr im Iran und hat gelernt, die Menschen und ihre Mentalität zu verstehen: „Ich dachte, unter dem iranischen Regime haben die Leute viele Ängste, so wie es jeder Ausländer vermutet. Als Erstes haben sie mir erklärt, wir sind nicht Araber, wir sind Perser. Darauf sind sie stolz und sind in jedem Augenblick freundlich.“ Es überraschte ihn, dass Frauen Auto fahren dürfen, dass ihm bei den Pressekonferenzen viele Journalistinnen Fragen stellen.

Natürlich gibt es Einflüsse religiöser Fanatiker. „Im letzten Jahr bei den Weltliga-Qualifikationsspielen gegen Japan waren beim ersten Spiel Frauen in der Halle und wurden auf Pressefotos und im Fernsehen gezeigt. Am nächsten Tag durften keine mehr in die Halle, weil sich irgendwer verletzt gefühlt hatte.“

Bei allem Fanatismus lieben die Iraner den Sport. Die Volleyballer sind auf dem Weg zur Nummer eins. Bislang galt das Interesse Ringern und Gewichthebern. Seitdem der Volleyball-Verband seine Superliga durch Gewinnung von Privatbanken als Sponsor stärken konnte, steigt die Popularität der Schmetterkünstler. Die Nationalspieler sind Stars und „die Leute spielen im ganzen Land“, sagt Verbandspräsident Mohammed Reza Davarzani. Die Platzierungen der Nachwuchsteams bei internationalen Meisterschaften tragen Früchte. Jochen Schöps glaubt, „dass sie in den nächsten Jahren weltweit richtig was reißen können“.

DVV-Präsident Krohne ist mit gespannten Erwartungen angereist, hat aber „an keiner Straßenecke einen mit einer Kalaschnikow in der Hand gesehen“ und musste auch nicht fürchten, eingesperrt zu werden. „Der Ramadan ist die einzige Einschränkung, aber das ist religiös begründet.“ Das Land hat ihn positiv überrascht. Auch sei die deutsche Wirtschaft hoch angesehen. Da könne es doch nicht angehen, dass „unsere medizinischen Produkte nicht geliefert werden dürfen. Jetzt kaufen die Iraner in China ein, wo sie viel schlechtere Qualität bekommen.“ Krohne will nun Wege suchen, über den Sport vermittelnd zu helfen.

KLAUS WEGENER