Frankreich wirbt für Flugticketsteuer

In Paris tagt mal wieder eine Konferenz über internationale Steuern zur Finanzierung von Entwicklungspolitik. Doch die deutsche Bundesregierung hatte sich bis gestern noch zu keiner Position durchringen können. Kerosinsteuer kein Thema

von NICOLA LIEBERT

Die internationale Staatengemeinschaft will mit der Einführung von internationalen Steuern ernst machen – jedenfalls ein bisschen. Ab morgen tagen in Paris auf Einladung des französischen Präsidenten Jacques Chirac Vertreter von über 100 Staaten, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen zum Thema Entwicklungsfinanzierung. In erster Linie wird es dabei um eine Abgabe auf Flugtickets gehen. Diese ist in Frankreich bereits beschlossene Sache. Nun sucht Chirac Mitstreiter.

Ab Juli wird dort je nach Klasse und Entfernung ein Aufschlag zwischen einem und 40 Euro pro Ticket verlangt. Die erhofften Einnahmen, rund 210 Millionen Euro pro Jahr, sollen für den Kauf von Impfstoffen und Aidsmedikamenten verwendet werden.

„Da die Globalisierung die Schaffung von neuen Reichtümern beispiellosen Ausmaßes ermöglicht, ist die wachsende Ungleichheit weniger denn je hinnehmbar“, heißt es in der Einladung zur Konferenz. „Diese Situation ist weder politisch noch ökonomisch zukunftsfähig.“ Deshalb stehen alle möglichen Finanzierungsmöglichkeiten auf der Tagesordnung. Darunter sind auch eine Umsatzsteuer auf Devisengeschäfte, also die so genannte Tobinsteuer, oder eine internationale Lotterie. Bei der Flugticket-Variante will bislang allerdings nur Brasilien mitziehen, dazu kommen wahrscheinlich noch Norwegen und einige andere Länder.

Dabei hatten sich die EU-Finanzminister schon im vergangenen Mai grundsätzlich auf eine Ticketsteuer geeinigt, wenn auch nur auf freiwilliger Basis. Auf eine mögliche Lenkungswirkung globaler Steuern, etwa eine Stabilisierung der Finanzmärkte (Tobin) oder einen Anreiz zur Ressourcenschonung (Flug), wurde damit bewusst verzichtet. Denn während etwa eine Besteuerung des Flugbenzins niedrigeren Treibstoffverbrauch und damit auch weniger Umweltverschmutzung finanziell belohnen würde, bleibt dieser Effekt bei einer reinen Ticketsteuer aus. Sie wird wohl auch zu „billig“ sein, Menschen ernsthaft vom Fliegen abzuhalten. Für Peter Wahl, den Steuerexperten der entwicklungspolitischen Organisation „Weed“, ist die Ticketsteuer dennoch wenigstens „ein Einstieg in internationale Steuern, auch wenn die Lenkungswirkung gleich null und das Mittelaufkommen eher mickrig ist“.

Immerhin hat auch die Ticketsteuer ihren Reiz: Sie ist problemlos im nationalen Alleingang einführbar. Regierungen können so ihre Versprechen zur Erhöhung der Entwicklungshilfe einhalten und müssen trotzdem nicht ihre nationalen Budgets angreifen. Bei 10 bis 30 Euro pro Flugticket kämen nach Berechnungen der EU-Kommission immerhin 6 Milliarden Euro jährlich zusammen. Die Wirtschaftslobby wie das Deutsche Verkehrsforum zetern dagegen über Verlust von Wettbewerbsfähigkeit, der der deutschen Wirtschaft durch neue Steuern angeblich drohe, vor allem wenn nicht alle Staaten mitmachen.

Diese Sorge scheint auch aktuell wieder in der Bundesregierung umzugehen. Vor den Wahlen im September war man noch grundsätzlich für eine Ticketsteuer. Jetzt kommt es offenbar zum Tauziehen zwischen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD). Ergebnis bisher: unentschieden. Nur so viel bestätigt das Entwicklungsministerium: Wieczorek-Zeul wird nach Paris reisen und dort eine Rede halten. Was sie sagen darf, stand gestern allerdings noch nicht fest.

Denn die Bundesregierung verspricht zwar, den Anteil ihrer Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt von bisher 0,27 auf 0,51 Prozent im Jahr 2010 zu steigern. Doch wie sagte die Ministerin jüngst in einem Interview zur Finanzierung des Ganzen? – „Wie wir dahin kommen, werden wir rechtzeitig entscheiden.“