Uralte antijüdische Klischees leben weiter

Die Demonstrationen zum Andenken an Ilan Halimi überall in Frankreich sind ein Zeichen politischer Reife

Die antisemitische Gewalt in Frankreich hat in den vergangenen Jahren radikal abgenommen

PARIS taz ■ Die Demonstrationen vieler tausender FranzösInnen gegen Rassismus und Antisemitismus im ganzen Land zum Andenken an den 23-jährigen Telefonverkäufer Ilan Halimi sind ein Zeichen von politischer Reife. Und sie entsprechen einer französischen Tradition: Antisemitisch inspirierte und andere rassistische Gewaltakte haben in Frankreich immer wieder breite öffentliche Proteste ausgelöst. Unter anderem bei der von dem damaligen Staatspräsidenten François Mitterrand angeführten Demonstration im Mai 1990 aus Protest gegen die Schändung eines jüdischen Friedhofs im südfranzösischen Ort Carpentras.

Andererseits zeigen die jetzigen Reaktionen auch, wie sensibel das Thema rassistischer Gewalt ist. Gerade in Frankreich, wo sowohl die größte muslimische als auch die größte jüdische Minderheit Europas leben – oft zumal in denselben ärmlichen Vorstädten.

Auch wenn der Antisemitismusvorwurf in diesem Fall bislang als Hypothese betrachtet werden muss, ist fraglos, dass es in Frankreich Antisemitismus gibt. Es leben auch uralte antijüdische Klischees weiter. Sie reichen vom angeblich „reichen Juden“, bis hin zu der „jüdischen Gemeinschaft“. Und sie finden sich in vielen Teilen der französischen Gesellschaft wieder – von den mehrheitlich christlichen „UreinwohnerInnen“ bis hin zu den Nachfahren der EinwandererInnen aus mehrheitlich muslimischen Ländern.

Dennoch hat die antisemitische Gewalt in Frankreich nach Höhepunkten am Anfang dieses Jahrtausends in den vergangenen Jahren radikal abgenommen. Das bestätigen sowohl unabhängige Gruppen als auch der französische Innenminister. Parallel dazu hat dagegen der Rassismus insgesamt in Frankreich zugenommen. Seine Opfer sind direkte EinwandererInnen aus Nord- und Schwarzafrika und ihre Nachfahren. Auch das zeigen alle Statistiken. Allerdings finden diese Opfer viel weniger Platz in den Medien und bei Solidaritätskundgebungen. DORA