„Wer Randale machen will, findet was zum Werfen“

FLASCHENVERBOT Viele kleine Händler ärgern sich über das Vorgehen des Bezirks. Sie befürchten Umsatzeinbußen – und dass Ausschreitungen in Kreuzberg letztlich nicht verhindert werden könnten

Laut Ibrahim macht Berlin seinem Ruf mit den Verbotsplänen für Glasflaschen am 1. Mai mal wieder alle Ehre. „Berlin ist die Stadt der Verbote“, sagt der Kreuzberger Gemüsehändler. „Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass die sich für diesen Tag noch etwas einfallen lassen.“ Der 29-Jährige ist Besitzer eines Gemischtwarenladens in der Muskauer Straße. Er ärgert sich, denn das Myfest war in den letzten Jahren immer ein guter Tag, um Köfte und kalte Getränke zu verkaufen. Doch sein Laden muss am 1. Mai wohl geschlossen bleiben. So will es der Bezirk. Nur sogenannte Spätverkaufsläden dürfen an dem Feiertag offen bleiben – aber keine Getränke in Glasflaschen verkaufen.

Für Ibrahim und andere Einzelhändler im Kiez ist das Verbot eine Enttäuschung. Noch dazu fühlen sich viele schlecht informiert, weil es noch keine Mitteilungen vom Bezirksamt gab. Er sei Muslim, sagt Ibrahim – an Bierverkauf habe er überhaupt kein Interesse. Dass er im Laden aber nicht mal Köfte verkaufen dürfe, sei übertrieben: „Der 1. Mai hat die schlechten Tage im Jahr oft ausgeglichen, weil die Leute da so viel kaufen.“

Aisha, die im Safir-Imbiss in der Adalbertstraße arbeitet, ist anderer Meinung. „Ich finde das richtig. Die kleinen Läden und Anwohnerstände ohne Lizenz locken uns am 1. Mai die Kunden weg“, sagt sie. Gut, dass da endlich eingegriffen werde. Auch die Anwohnerin Ingrid findet die Verkaufsbeschränkungen gut: „Sehr sinnvoll – schließlich sind es immer Bierflaschen, die am Ende fliegen.“ Deshalb soll es Plastikbecher für Bier geben; Händler sollen sie verteilen.

Cakmak etwa, der einen Tabakladen in der Manteuffelstraße hat. „Um das Bier in die Becher zu schütten, muss ich zwei oder drei Leute einstellen, das macht mir den Umsatz kaputt“, schimpft er. Bierflaschen seien nicht das einzige Wurfgeschoss. „Wenn die Leute Randale machen wollen, finden sie schon Gegenstände zum Werfen.“

Dass der Alkoholverkauf eingedämmt werden soll, verstehen fast alle Verkäufer und Anwohner im Kiez. Nur die Umsetzung sei praktisch unmöglich. „Das ist Kreuzberg 36. Hier laufen nur Chaoten rum“, sagt ein Imbissbudenbesitzer. Da seien die neuen Regeln zwar nett gemeint, im Endeffekt würde sie aber niemand beachten. Denn: „Wie viele Polizisten wollen die denn aufstellen, um das alles zu kontrollieren?“ SEBASTIAN KEMPKENS