Letzte Rettung Gymnasium

Seit dem 1. Februar können junge LehrerInnen in NRW unproblematisch auf höhere Schulen wechseln. Real- und Gesamtschulen fürchten ein Ausbluten. „Das war ein Schnellschuss“

VON NATALIE WIESMANN

An Realschulen und Gesamtschulen in NRW fällt offenbar mehr Unterricht aus als jemals zuvor. „Das liegt daran, dass es einfach geworden ist, an eine andere Schule zu wechseln“, sagt Ursula Hentschke, Sprecherin der RektorInnen der Kölner Realschulen. An mehreren Einrichtungen habe die neue Regelung Löcher gerissen, das bestätigt auch die Sprecherin der GesamtschullehrerInnen, Dagmar Naegele. „Auf dem Gymnasium verdient man von Anfang an mehr als bei uns“, sagt sie.

Seit dem 1. Februar können LehrerInnen, die per Listenverfahren nicht an der von ihr favorisierten Schule landen, sich für einen Laufbahnwechsel bewerben. Früher mussten sie mindestens fünf Jahre auf der selben Stelle verharren. „Das war auch nicht ideal“, gibt Hentschke zu. Oft seien diese BerufsteinsteigerInnen unglücklich gewesen. Doch der Laufbahnwechsel mitten im Schuljahr sei auch keine Lösung: „Das war ein Schnellschuss“, kritisiert die Rektorin. In einem Brief an die Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hatte sie bereits im November vor einem „Ausbluten der Realschulen“ gewarnt. Seit Monaten sei sie selbst an ihrer Schule auf der Suche nach einem neuen Lehrer für Deutsch und Englisch: „Aufgrund des Listenverfahrens kann sich das noch Monate hinziehen.“

Heinz Kampermann, stellvertretender Landesvorsitzender des Realschulverbands NRW, kann zwar die Sorgen seiner Kölner Kollegin nachvollziehen, Zahlen zu den Laufbahnwechslern gebe es aber noch nicht. Als „Mogelpackung“ bezeichnet er die tausend neuen Lehrer, die die Landesregierung zum Anfang des Schuljahres eingestellt hätte: „Dafür wurden andere Lehrer aus den Schulen herausgeholt, die früher Zeitverträge hatten.“ Und die fehlten dann dort wieder.

Unterdessen gibt Barbara Sommer positive Nachrichten heraus: Vergangene Woche hatte sie die Einstellung von 37.000 neuen Lehrern bis 2010 angekündigt. Das hört sich nach viel an – ist aber das normale Pensum, das die Schulen in NRW durch bevorstehende Pensionierungswellen und zur Zeit noch steigende Schülerzahlen in den Oberstufen brauchen. „Wir benötigen in diesem Zeitraum sogar 42.000 neue Lehrer“, sagt Andrej Priboschek, Sprecher des Ministeriums. Doch zu den 37.000 kämen noch die 4.000 zusätzlichen Stellen, die Rüttgers angekündigt hatte. Von mehr Unterrichtsausfall an Realschulen will das Ministerium nichts wissen: „Das stimmt einfach nicht“, sagt Priboschek. Jüngere Untersuchungen hätten ergeben, dass es nicht zu mehr Ausfall gekommen sei. „Das können nur einzelne Engpässe sein.“

Doch gerade in Mangelfächern sei der Abgang von Lehrern oft für lange Zeit nicht zu kompensieren, sagt Gesamtschul-Sprecherin Naegele: „Finden Sie mal auf die Schnelle eine Lateinlehrerin oder oder einen Physiklehrer“ – der Markt dafür sei abgegrast.