„Es bleibt: das Burn-Out-Syndrom“

Der Erfahrungsbericht eines Lehramtsanwärters zeigt, wie zukünftigen Lehrern der Berufseinstieg vermiest wird

Für ganze Heerscharen von Lehramtsanwärtern kommt der große Kulturschock im Referendariat, dem so genannten Vorbereitungsdienst. Besonders frustrierend ist die Erkenntnis, dass man sich nach einem erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium zwar Akademiker nennen darf, aber nicht als solcher akzeptiert wird. Waren in der Universität eigene Lösungsansätze und kritisches Denken zumindest gelegentlich durchaus gefragt, sind solche Tugenden während der zweijährigen Seminarausbildung eher schädlich. „Ja und Amen“ lautet die Zauberformel für eine Zeit, die einen zwar in Sachen diplomatisches Geschick schult, nicht aber in praktischen pädagogischen Fragen.

Stetig wechselnde „Unterrichtsbesucher“ zwingen die Pauker der Zukunft, Unterrichtsinhalte, -formen und -stile an den Personen auszurichten, die während der Ausbildung in der letzten Stuhlreihe Platz nehmen. Ein schier hoffnungsloses Unterfangen. Schließlich kommen verschiedene Fach- und Schulleiter beziehungsweise Ausbildungslehrer häufig zu stark divergierenden Einschätzungen – insbesondere dann, wenn einige von ihnen an Gymnasien, andere an Gesamtschulen tätig sind. Somit werden die angehenden Lehrerinnen und Lehrer an der Entwicklung eines authentischen Unterrichtsstils gehindert – und werden so zwangsweise zu spröden Formalisten. Dabei wird der Ruf nach Pädagogen, die ihren Job mit Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen ausfüllen, immer lauter.

Hauptgrund für das Dilemma: die Ausbildung an den Hochschulen. Noch immer ist die Integration schulischer Praxis als gelebte Pädagogik in den Studienordnungen nur unzureichend verankert, die obligatorischen Praktika sind schlicht zu kurz. Die strikte Zweiteilung in Studium und Referendariat führt zum viel zitierten „Praxisschock“. Auf die Organisation von Klassenfahrten wird man an der Uni ebenso wenig vorbereitet wie auf die Notenvergabe und die Teilnahme an Zeugnis- oder Klassenkonferenzen. Nicht wenige Referendare müssen nach fünf Jahren Studium einsehen, dass sie dem Umgang mit Kindern und Jugendlichen nicht gewachsen sind. Reichlich spät. In jedem Fall zu spät, um sich Erfolg versprechend umzuorientieren.

Das Referendariats-Fiasko offenbart sich auch an anderer Stelle. Schon bald werden sich Gerichte mit der Frage zu befassen haben, wie die nicht erfolgte Versetzung eines Schülers zu bewerten ist, an der ein Referendar im Rahmen des eigenverantwortlichen Unterrichts mitgewirkt hat. Und zwar ein Referendar, dem später mit dem Nichtbestehen des zweiten Staatsexamens die Lehrbefähigung abgesprochen wurde. Peinliche gerichtliche Zurechtweisungen erwarten die Landesschulministerien, die den bedarfsdeckenden Unterricht als Einsparmaßnahme entdeckt haben.

Es bleibt – wenngleich kein Spezifikum des Lehrerjobs: das Burn-Out- Syndrom. Es lässt Engagement, Enthusiasmus und Elan im Beruf mit der Zeit verblassen. Diese Erfahrung macht der Lehrernachwuchs in der Bundesrepublik derzeit leider schon im Referendariat. Eindeutig zu früh. Und mit verheerenden Konsequenzen für den Bildungsstandort Deutschland.

TIM ENGARTNER