Reformschule zieht Konsequenzen

MISSBRAUCH Mit einem Ethik-Kodex will die Leiterin der Odenwaldschule in Südhessen ihre Schüler und Schülerinnen künftig vor Missbrauch schützen

BERLIN taz | „Erschüttert“ zeigte sich Margarita Kaufmann, die Schulleiterin der Odenwaldschule, am Donnerstag vor der Presse über die Missbrauchsfälle an ihrer Schule. „Die Odenwaldschule hat große Schuld auf sich geladen“, sagte sie, den Tränen nahe.

Die Leitung der südhessischen Schule zieht jetzt erste Konsequenzen aus den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen. Ein neues Einstellungsverfahren für Lehrer sei geplant, ein neuer und für alle verpflichtender Ethik-Kodex soll erstellt werden. Außerdem würden künftig Schul- und Heimleitung voneinander getrennt.

Im Sommer 2009 hatten Gespräche von Betroffenen mit einem Psychologen stattgefunden. Auf dessen Anraten hat die Schule die Öffentlichkeit zunächst nicht informiert, um die Betroffenen zu schützen. Inzwischen habe die Schulleitung jedoch selbst stundenlange Gespräche mit den Opfern geführt, berichtet Schulleiterin Kaufmann. So habe eine ehemalige Schülerin erzählt, dass sie als Zehnjährige von ihrem Musiklehrer in dessen Wohnung zu Gesangsübungen für Schallplattenaufnahmen bestellt worden sei. Dort habe sie sich ausziehen müssen und sei gestreichelt worden, auch im Intimbereich. Ein anderer Schüler habe berichtet, er habe einmal in der Woche zu Hause anrufen dürfen – vom Schlafzimmer eines Lehrers aus, wo er missbraucht worden sei.

„Wir haben die ehemaligen Schüler um Vergebung gebeten“, sagte Kaufmann. Mit einer anonymisierten Umfrage unter den heutigen Schülern will die Schulleitung klären, ob es in jüngster Zeit zu weiteren sexuellen Übergriffe im Internat gekommen ist.

Bereits 1999 war der ehemalige Schulleiter Gerold Becker wegen sexuellen Missbrauchs seiner Ämter enthoben worden. Der Fall war wieder aufgeflammt, nachdem ein Schüler darauf drängte, ihn auf der 100-Jahr-Feier der Schule im April zu thematisieren. 33 Schüler haben sich seitdem gemeldet. BOE