Der Fluch des Forbes

64 Dollarmilliardäre leben in China: Sie haben Angst vor der Forbes-Liste

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Wer sich bei der Eheschließung seines Kindes lumpen lässt, ist ein Lump. Das wusste auch der Kohlemagnat aus der zentralchinesischen Provinz Shanxi, 300 Kilometer westlich von Peking gelegen, und er war nicht knickrig: Hinter den Kamerawagen, die den Autokorso der Hochzeitsgesellschaft filmten, rollten vier Ferraris, vier Rolls Royce, sechs Mercedes, sechs Bentleys, zwanzig Audis A8 und zum Abschluss noch ein paar Hummer und Porsches Cayenne.

Solche Spektakel sind in der Volksrepublik, der Heimat des „Sozialismus chinesischer Prägung“, keine Seltenheit mehr. So mancher zeigt sein Geld gern her, seitdem die KP in den Achtzigerjahren die Parole ausgab: „Reich werden ist ehrenhaft.“ Innerhalb kürzester Zeit hat China – bis auf die USA – Russland und alle anderen Länder in der Zahl der Superreichen überrundet. Nach der neuen Rangliste der US-amerikanischen Zeitschrift Forbes leben in China mittlerweile 64 Dollarmilliardäre. Ganz oben steht der 64-jährige Zong Qinghou, Chef der Getränkegruppe Wahaha, dessen Konzernanteile mit 7 Milliarden Dollar bewertet werden. Ihm folgt der 62-jährige Liu Yongxing, der seine 5 Milliarden Dollar mit Tierfutter, Aluminium und Immobilien gemacht hat.

Die größten Vermögen lassen sich in China derzeit mit Bau- und Immobiliengeschäften und damit verbundenen Branchen machen, außerdem mit Kohle und anderen Rohstoffen, mit Internetfirmen und Finanzen. Die meisten Milliardäre und Multimillionäre in China sind Unternehmer der ersten Generation, die nach dem Ende der Planwirtschaft vor dreißig Jahren großgeworden sind.

Einen Platz ganz vorn auf der Forbes-Liste zu ergattern, ist nicht unbedingt empfehlenswert. Das schürt die Aufmerksamkeit der Steuer, der Kriminalpolizei und der Disziplinkommission der KP. Schließlich liegt das monatliche Durchschnittseinkommen in Chinas Städten nur bei 200 Dollar, auf dem Land erreicht es sogar nur 60 Dollar.

Der schillernde Gründer der größten Elektrogerätekette, Huang Guangyu, mit über 6 Milliarden Dollar 2008 noch als reichster Mann Chinas gefeiert, wartet in Haft auf seinen Prozess wegen Aktienbetrugs und Insidergeschäften. Er ist nicht der einzige. Längst geht die Rede vom „Forbes-Fluch“: Die Schauspielerin Liu Xiaoqing, der Orchideenkönig Yang Bin und der Immobilienzar Zhou Zhengyi, alles frühere Stars auf der Liste der Betuchten, landeten ebenfalls hinter Gittern. „Hören Sie auf, ich will nichts davon hören“, knurrte neulich ein Industrieller vom Yangtse mit engen Beziehungen zu Deutschland, als er auf seinen Platz auf der Reichenliste angesprochen wurde: „Am Ende ist es doch besser, nicht zu viel Aufsehen zu erregen.“