Putschtheater ohne Rückhalt im Volk

In den Philippinen bricht eine Meuterei von Soldaten nach wenigen Stunden zusammen, weil sie keinen Rückhalt in der Bevölkerung findet. Regierung von Präsidentin Arroyo verlängert Notstand und klagt 15 Personen wegen Rebellion an

AUS MANILA HILJA MÜLLER

Noch in der Nacht zu gestern ist eine Minimeuterei von philippinischen Marineinfanteristen in der Hauptstadt Manila nach sechs Stunden friedlich beendet worden. Zwei Tage nachdem die unpopuläre Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo den Notstand verhängt hatte, schien das Hauptquartier der Elitetruppe zunächst zum Herd einer Revolte zu werden. Zuvor war der aufmüpfige Kommandant der 7.000 Marines bei Arroyo in Ungnade gefallen und durch einen loyalen General ersetzt worden. Ein hoch dekorierter Kriegsheld – selbst gerade als Oberst abgesetzt – rief Marineinfanteristen und die gesamte Bevölkerung vor laufender Fernsehkamera zum Widerstand auf.

Doch statt in Massen wie beim Sturz von Diktator Ferdinand Marcos vor zwanzig Jahren auf die Straße zu gehen, eilten nur wenige hundert Menschen zu dem Militärgelände. Dennoch schien die Lage angesichts von hundert schwer bewaffneten Soldaten bedrohlich. Auch Nonnen, die sich wie 1986 den Räumungsversuchen der Polizei betend in den Weg stellten, beunruhigten die Gefolgsleute um Arroyo.

Erneut wurde mit Hinweis auf den Notstand, auf dessen Grundlage seit Freitag eine Zeitungsredaktion durchsucht und TV-Stationen vom Militär belagert worden waren, Druck auf die Medien ausgeübt. Arroyos Stabschef Mike Defensor mahnte, keine Bilder mehr von dem Vorfall zu senden. Armeechef Generoso Senga verlangte: „Lasst uns in Ruhe! Wir lösen das auf unsere Weise.“ Und tatsächlich genügte ein Machtwort des neuen Kommandanten, General Nelson Allaga, und die offenbar ermüdeten „Revoluzzer“ kehrten willig in ihre Kasernen zurück.

War es ein gescheiterter Militärputsch, ein verpasster Volksaufstand oder doch nur ein Schauspiel, dessen Strippenzieher vorerst im Dunkeln bleiben? In jedem Falle war es eine Sternstunde prominenter Arroyo-Gegner. So war Senator Ramon Magsaysay jr., Spross eines früheren Präsidenten, als einer der Ersten vor Ort. „Wenn wir jetzt nicht aufstehen wie eine Eins, dann haben wir es nicht anders verdient, als das Schlusslicht in Asien zu sein“, rief er. Auch die Kongressabgeordnete und Diktatortochter Imee Marcos sowie die Expräsidentin Cory Aquino gaben willig Interviews.

Ironischerweise rettete wohl die geballte Promimacht die Arroyo-Administration. Denn die beiden unblutigen Revolutionen von 1986 und 2001, als erst Marcos und später der korrupte Joseph Estrada entmachtet wurden, manifestierten den Personenkult im Inselstaat nur. „Egal ob Aquino, Arroyo oder sonst wer. Wir bekommen unsere Wirtschaft nicht auf die Beine, so lange es nur um Personen statt Reformen geht“, kritisiert der Geschäftsmann Butch Campus.

Gestern blieb die Lage in Manila ruhig. Allerdings wurde der Notstand nicht wie angekündigt aufgehoben. Stattdessen klagte die Regierung 15 meist linke Politiker, Anwälte sowie Militärs der Rebellion an. Vier betroffene Kongressabgeordnete nahmen jedoch ungehindert weiter an Sitzungen teil. Zwei Oppositionsgruppen riefen den Obersten Gerichtshof an, die Rechtmäßigkeit des Notstands zu überprüfen.

Und natürlich war es wieder ein Tag für Theatralik der Politpromis. Schnippisch erklärte Imee Marcos vor der Presse: „Offenbar reflektiert unser Militär unsere Bevölkerung perfekt. Keiner hat den Mumm, in der ersten Reihe zu stehen.“ Als besten Nachfolger für Arroyo nannte sie den „extrem populären“ Expräsidenten Joseph Estrada. Er steht unter Hausarrest. Die Amtsinhaberin hingegen sei „der eigentliche philippinische Notstand“. Auf eigenen Ambitionen angesprochen sagte Marcos: „Präsidentin? Das ist ein lausiger Job.“