Werwölfe an die Leine gelegt

RECHTSEXTREMISMUS Razzien gegen Nazis gab es in mehreren europäischen Ländern. Vorwurf: Gründung einer terroristischen Vereinigung

Konspirativ soll sich die Gruppe über ihre Pläne ausgetauscht haben

VON ANDREAS SPEIT

HAMBURG taz | Einer von ihnen hat bereits geschossen. Der Schweizer Sebastian N. verletzte am 5. Mai 2012 mit zwei Schüssen einen jungen Mann in Zürich schwer. Zwei Tage später wurde er in Hamburg verhaftet, seitdem sitzt der 25-Jährige in der Schweiz in Haft. Gestern wurde seine Zelle und die seines Gesinnungsgenossen Roberto K. durchsucht, außerdem die Wohnungen und Geschäftsräume von vier weiteren Männern in Norddeutschland, der Schweiz und in den Niederlanden.

Die länderübergreifenden Razzien der Polizei richteten sich gegen die mutmaßlichen Gründer eines rechtsextremen „Werwolf-Kommandos“. Vorwurf der Bundesanwaltschaft: „Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung“. In Deutschland schritten die Beamten in der Umgebung von Hamburg, der Region Hannover und in Mecklenburg-Vorpommern ein. Sebastian N., mit besten Kontakten in Norddeutschland, gilt als einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Gruppe. Deren „Ziel“, so der Bundesanwalt, „soll es gewesen sein, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen“. Der Name „Werwolf-Kommando“ spielt auf das historische Vorbild der Organisation an, die im November 1944 von SS-Führer Heinrich Himmler ins Leben gerufen wurde und hinter den Linien des Feindes einen Partisanenkrieg führen sollte. Nach der Niederlage 1945 stieg die vom ehemaligen SS-Hauptsturmführer Arthur Ehrhardt verfasste Taktikfibel „Wehrwolf – Winke für Jagdeinheiten“ in der Neonazi-Szene zu einem Standardwerk auf.

Sebastien N. verfügt über gute Kontakte nach Norddeutschland. Am 1. Mai 2008 nahm er an einem NPD-Aufmarsch in Hamburg teil, dessen Teilnehmer Gegendemonstranten, Polizisten und Journalisten angriffen. Der bekennende Neonazi, auf dessen Brust ein Hitler-Porträt und auf dem rechten Unterarm das Zivilabzeichen der SA tätowiert ist, soll bereits im Mai 2008 eine Schrotflinte mit Munition nach Hamburg überführt haben. Diese Waffe wurde ein Jahr später bei einer Hausdurchsuchung bei einem Mitglied der „Weißen Wölfe Terrorcrew Sektion Hamburg / Nationalkollektiv Hamburg“ gefunden.

Als weitere Führungsfigur schätzt die Karlsruher Behörde auch den 54-jährigen Schweizer Robert S. ein, dessen Wohnung durchsucht wurde. Zugleich standen Beamte in der Nähe von Rotterdam auch bei Joern B., 29, vor der Tür. Festgenommen wurden die beiden aber nicht – ebenso wenig wie die beiden anderen Verdächtigen, Denny R., 29, und Heiko W., 32.

Aus ermittlungstechnischen Gründen möchte die Bundesanwaltschaft keine genaueren Erkenntnisse bestätigten. In einer Presseerklärung heißt es nur, die Gruppe habe, „um konspirativ kommunizieren zu können“, bereits „ein elektronisches Verschlüsselungsprogramm entwickelt“. Mit der Razzia hofft die Bundesanwaltschaft, „Beweismaterial für etwaige Anschlagspläne und -vorbereitungen“ zu finden. Konkrete Hinweise darauf hatten die Ermittler vor den Razzien aber nicht.