„An einem unfreundlichen und dunklen Ort“

WEIT WEG Das Schülerlabor im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt macht’s möglich: Kosmo- und Astronauten berichten Bremer Kindern von der Arbeit im Weltall und dem Waschen in einer Wasserblase

„Wenn du in einen Apfel beißt und ein Stückchen runterschluckst, hast du das Gefühl, in deinem Magen liegen Steine“

Sergey Volkov, Kosmonaut, über die Folgen der Schwerelosigkeit

Der Italiener Paolo Nespoli ist ein Spätzünder. Das sagt er jedenfalls selbst von sich. Doch auch mit 26 Jahren hatte er immer noch seinen Kindheitstraum: als Astronaut ins Weltall zu fliegen. „Dabei konnte ich nicht einmal Englisch.“ Doch dann legte er sich ins Zeug, lernte und studierte und durfte 2006 mit dem Space Shuttle „Discovery“ starten. Heute ist der 57-Jährige ein erfahrener Raumfahrer. „Ihr seht, es ist nie zu spät, um mit dem Lernen anzufangen“, erzählt Nespoli den Schülern beim Bremer „Astronautentag“.

Die zwölf bis 18 Jahre alten Gäste des Schülerlabors im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hängen förmlich an seinen Lippen. Mit Nespoli sind auch die Kosmonauten Sergey Volkov aus der Ukraine und Alexander Samokutyaev in die Hansestadt gekommen. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion heißen die Astronauten Kosmonauten.

„Wir sind keine Helden“, beschwichtigt Volkov. Die hauptsächliche Arbeit eines Kosmonauten sei Training, Lernen und Warten auf den nächsten Einsatz. Die Schüler im Kreis schauen ihn ungläubig an. „Wir leben und arbeiten an einem unfreundlichen, kalten und dunklen Ort.“ Volkov kennt sich aus. Er flog 2008 als Kommandant das russische Raumschiff Sojus TMA-12 zur internationalen Raumstation ISS und war von Juni bis November 2011 an Bord. Nach einem Blick in die Runde sagt er: „Aber es ist großartig, im Weltraum zu arbeiten und die Erde von oben zu sehen.“

Ob er sich manchmal einsam fühle und ob er etwas im Weltraum vermisst, will Leonard (14) wissen. „Nein“, sagt der 40-Jährige. Es gebe zu viel an Bord zu tun, um sich einsam zu fühlen. Zwar vermisse Volkov seine Familie. „Aber ich bin ja nicht so weit weg. Es sind ja nur 400 Kilometer“, fügt er mit einem Grinsen hinzu. 400 Kilometer sind nicht weit, doch der nächste „Bus“ kommt nur alle sechs Monate an der ISS vorbei.

Was er wirklich an Bord der Raumstation vermisse, sei eine richtige Dusche. „Das Gefühl, dass das Wasser vom Kopf am Körper herunterläuft.“ In der Schwerelosigkeit bildet Wasser sofort eine Kugel, die durch den Raum schwebt. „Um sich zu waschen, drückst du die Kugel einfach auf dein Gesicht. Dann bildet sich ein Wasserfilm, den du nur mit einem Handtuch oder durch kräftiges Kopfschütteln wieder loswirst.“

Mit der Schwerelosigkeit sei es überhaupt so eine Sache: Sie bestimmt das Leben und Arbeiten im Weltraum. Nach einer russischen Raumfahrer-Tradition bekommen die Kosmonauten nach der Landung immer einen frischen Apfel zu essen, berichtet Volkov. „Aber der Magen hat sich nach einem halben Jahr an die Schwerelosigkeit gewöhnt. Wenn du dann abbeißt und ein Stückchen runterschluckst, hast du das Gefühl, in deinem Magen liegen Steine.“

Der Kosmonaut verrät noch eine Tradition, die die russischen Raumfahrer penibel einhalten, seit der Russe Juri Gagarin als erster Mensch vor mehr als 50 Jahren mit einer Rakete in den Weltraum geschossen wurde: Immer sei ein besonderer Schwerelosigkeits-Indikator mit an Bord. „Daran können wir nach dem Start erkennen, wann die Schwerelosigkeit einsetzt“, erläutert der Kosmonaut mit ernster Mine. „Als ich das Raumschiff zur Station ISS flog, hatte ich ein Stofftier von meinem Sohn dabei, das dann durch unsere Kapsel schwebte.“  (epd)