AUF SCHWALBENHÖHE
: Unser Bestes

Wir würden sagen, wir hätten uns im BWL-Grundkurs kennengelernt

In der kürzesten Nacht des Jahres sitzen wir im vierten Stock auf einem Balkon und sehen, wenn wir die Köpfe nach links drehen, auf der anderen Straßenseite auf Augenhöhe einen Lampion, der so aussieht wie die Sonne, die nun langsam hinter den Häusern verschwindet. Die Würstchen auf dem Grill müssen oft gedreht werden, sie drohen zu verkokeln. Der Gastgeber nimmt auf Anraten der Gastgeberin den Rost heraus und steckt ihn fünf Zentimeter höher wieder hinein. Wir essen und trinken und reden eine Weile über „Dirty Dancing“, dann über Musik, die uns in der Pubertät wichtig war. Die einen waren von Geburt an Punks, die anderen mussten erst über Modern Talking, A-ha und Rammstein zu reflektierten Menschen werden. Ich war, es ist ein halbes Leben her, bei Rammstein in der Wuhlheide und habe getanzt, und das mag ja wohl das Beste sein, wenn Musik und Tanzen zu einer Einheit würden.

Nachdem die Sonne wieder aufgegangen ist, legt die Autorin, die in einer Schreibkrise steckt, ihren Kopf in die Hände und schläft ein bisschen. Als wir über sie reden, sagt sie plötzlich: „Ich höre euch. Ich schlafe nicht, ich döse nur ein bisschen.“ Wir werden, so planen wir, es ist ja alles ganz einfach, eine Band namens Blitzboy gründen. Wir werden zwei Blockflöten, drei Silber- und kein Goldkehlchen haben. Eine kann Standard tanzen, die anderen nicht, wir würden unser Bestes geben. Wir hätten gleiche Frisuren, gleiche Klamotten und würden sagen, wir hätten uns im BWL-Grundkurs kennengelernt.

Als die Sonne genauso aussieht wie der gegenüberhängende Lampion und sie uns blendet, trinken wir Wodka, der den einen zu streng, den anderen zu parfümiert schmeckt. Ich hatte ihn mitgebracht und denke, es ist egal. Wir sind auf Schwalbenhöhe. Die Sonne steigt weiter und in diesem zauberhaften Licht stehen wir auf, umarmen die Gastgeber, nehmen die Räder und fahren los. BJÖRN KUHLIGK