Es gibt Berliner, die Fußball beherrschen

FUTSAL In dieser Hallenfußballvariante ist Berlin stark: Croatia Berlin erreicht die Endrunde des DFB-Cups

„Die Spieler müssen sich bei Futsal mehr konzentrieren, taktische Züge im Voraus planen und den Blick für den Raum haben“

JÖRG MEINHARDT, FUTSAL-BEAUFTRAGTER

Am Samstag, als Hertha BSC im Olympiastadion gegen Nürnberg seine wohl letzte Chance auf den Klassenerhalt verspielte, lagen sich nur wenige hundert Meter entfernt Berliner Kicker jubelnd in den Armen. Nicht dass sich die Spieler von Croatia Berlin in der Sporthalle Charlottenburg über das Leid des großen Nachbarn gefreut hätten. Vielmehr feierten sie ebenfalls gegen einen Gegner aus Nürnberg – nämlich die FC Bayern Kickers – den Einzug in die Endrunde des DFB-Futsal-Cups in Cottbus. Mit 8:4 siegte der Berliner Meister vor 500 begeisterten Zuschauern in der Sömmeringstraße.

Futsal, FC Bayern Kickers – noch nie gehört? Möglich. Denn Futsal – abgeleitet vom spanischen „Futbol sala“ für Hallenfußball – ist in Deutschland eine unterentwickelte Kicker-Variante. Hier frönt man eher dem „Budenzauber“, bei dem die rustikalen Freiluftregeln eins zu eins auf das Hallenparkett übertragen werden. „Futsal hat mit dem Hallenfußball, wie wir ihn kennen, recht wenig zu tun“, erklärt Jörg Meinhardt, Futsal-Beauftragter des Berliner Fußball-Verbandes (BFV).

Es gibt keine Bandenbegrenzung, was von den fünf Spielern pro Team höhere Fertigkeiten am Ball voraussetzt. Der Ball ist sprungreduziert, das Spielgerät bleibt bei der Bodenberührung fast liegen. Meinhardt: „Die Spieler müssen sich dadurch mehr konzentrieren, taktische Züge im Voraus planen und den Blick für den Raum haben.“ Fouls durch Grätschen sind indoor verboten. „Die Mann-gegen-Mann-Situation wird nicht gesucht“, doziert der BFV-Beauftragte. Der Weltverband Fifa hat „Salon-Fußball“ schon 1989 als förderungswürdige, offizielle Indoor-Spielart eingestuft; in Deutschland findet sie dennoch bisher wenig Beachtung.

Der Futsal-Cup, 2006 erstmals ausgetragen, soll das ändern. Meinhardt: „Der DFB will den Markt erschließen.“ Das geschieht nicht ohne Anschub von oben. Die Fifa soll den DFB aufgefordert haben, mehr zu tun. Denn obwohl in den Niederlande bereits 1989 die erste Futsal-Weltmeisterschaft stattfand – es siegte Brasilien, wo vor gut 50 Jahren auch die Futsal-Wiege stand –, glänzten die Deutschen bisher durch Abwesenheit. „Dabei ist Futsal eine hervorragende Ausbildung für Kinder und Jugendliche. Wir wundern uns, dass Südamerikaner, Spanier und auch Osteuropäer so gut mit dem Ball umgehen können. Viele von denen haben mit Futsal begonnen“, erzählt Meinhardt.

Allmählich kommt der Salon-Zug ins Rollen. Mit 39 Futsal-Teams in drei Ligen gehört die Hauptstadt auf Bundesebene zur Avantgarde. Im April soll eine nordostdeutsche Regionalliga den Spielbetrieb aufnehmen. „Es wird so kommen, dass wir bald eine Bundesliga und eine Nationalmannschaft bekommen werden“, prophezeit Berlins Futsal-Beauftragter. Vom Profitum wie in Lateinamerika, Ost- oder Südeuropa ist man indes noch weit entfernt.

„Im Vorjahr wollte Croatia die Futsal-Mannschaft abmelden. Da habe ich die Mannschaft übernommen und trage jetzt auch das finanzielle Risiko“, sagt Berlins Meistertrainer Toni Petrina. Zum Lohn für sein Risiko fährt er mit seinem outgesourcten Start-up-Unternehmen Croatia am letzten Märzwochenende zur DFB-Endrunde nach Cottbus, wo Hamburg, Münster und Hildesheim die Gegner des Erfolgsteams sind. JÜRGEN SCHULZ