Wie viel Altmaier steckt in Bürgeranleihen?

ERNEUERBARE Sind die Papiere, mit denen sich Anwohner bei umstrittenen Stromtrassen einkaufen können, riskant? Umweltminister geht nach kritischem Medienbericht auf Distanz zu Projekt in Norddeutschland

FREIBURG taz | Aufregung um Peter Altmaiers „Bürgerdividende“: Der Bundesumweltminister von der CDU hatte vor etwa einem Dreivierteljahr die Idee aufgebracht, Bürger an den Gewinnen aus dem Bau neuer Stromleitungen zu beteiligten. Als Vorbild dafür sollte die Finanzierung von Windrädern und Solaranlagen dienen, die seit zwei Jahrzehnten zu einem großen Teil über Bürgerkapital erfolgt. Doch nun zerriss die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Altmaiers Bürgerdividende als „riskante Anleihe“, die im Insolvenzfall „nachrangig bedient“ werde.

„Sehr enttäuscht“ sei er darüber, sagte Altmaier am Montag im Deutschlandfunk. Hier werde versucht, ein Modell, das erst entstehe, „bereits von vornherein zu diskreditieren“. Die Zeitung bezog sich mit ihrer Kritik auf das Angebot des Übertragungsnetzbetreibers Tennet, der mit der ersten Bürgeranleihe überhaupt eine 380.000-Volt-Leitung zwischen Brunsbüttel und Niebüll an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste finanzieren will. Altmaier erklärte, das Angebot von Tennet habe nichts mit seinem Vorschlag zu tun. Es sei vielmehr parallel zu seinen Ideen entwickelt worden. Bei der Vorstellung des Konzepts gemeinsam mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sei „eindeutig und klar darauf hingewiesen“ worden, dass die Details des Modells der Regierung erst noch mit den Übertragungsnetzbetreibern und mit der Bundesnetzagentur geklärt werden müssten.

Allerdings drückte Altmaier Mitte Juni, als die Zeichnungsfrist für das Tennet-Papier begann, zusammen mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) medienwirksam einen Startknopf für das Tennet-Modell. Und dennoch distanzierte er sich nun von dem Projekt: „Wir haben bei der Vorstellung unserer Bürgeranleihe ausdrücklich gesagt, dass dies noch nicht das Modell für die Zukunft ist, sondern dass wir abwarten werden, welche Erfahrungen die Netzgesellschaft Tennet mit dieser Form der Anleihe macht.“ Andere Netzgesellschaften als Tennet bevorzugten andere Formen der Anleihe – auch das sei damals gesagt worden.

Die Kritik an den Tennet-Papieren: Der Käufer erwirbt weder eine direkte Beteiligung an der Hochspannungsleitung noch einen Anteil am Unternehmen. Faktisch gibt er Tennet lediglich einen Kredit – und zwar mit allen Ausfallrisiken. Während der Planungsphase soll die Anleihe mit 3 Prozent verzinst werden, mit Beginn der Bauphase soll der Zinssatz auf 5 Prozent steigen. Kritikern, die anführen, der Zins sei, gemessen am Risiko, zu gering, kontert Altmaier, die Konstellation der Risiken sei ähnlich, wie wenn man sich an Windparks oder Solarprojekten beteilige. BERNWARD JANZING