Putins Mann in Dagestan

Für die russische Nordkaukasusrepublik Dagestan kam die Nachricht von der Entlassung der Regierung durch Ramazan Abdulatipov völlig unerwartet. Der 66-jährige Abdulatipov, der erst im vergangenen Januar von Russlands Präsident Wladimir Putin zum Chef der Nordkaukasusrepublik Dagestan ernannt worden war und seit Sowjetzeiten eine wichtige Figur auf der politischen Bühne ist, hat damit seinen Drohungen gegen „ineffektive“ Staatsbeamte Taten folgen lassen.

Der neunte Sohn einer kinderreichen Familie und gelernte Arzthelfer schloss 1975 in Dagestan ein Geschichtsstudium ab. Zehn Jahre später promovierte er im Fach Philosophie mit einer Arbeit über Nationalitätenkonflikte. Dieses Thema sollte ihn sein ganzes Leben begleiten. 1988 wurde Abdulatipov Leiter der Abteilung „Nationale Beziehungen“ beim ZK der KPdSU, 1990 Vorsitzender des Nationalitätenrats beim Obersten Sowjet der russischen Sowjetrepublik.

Immer wieder rief man Abdulatipov, wenn Konflikte zwischen Volksgruppen eskalierten. So legte er 1991 erfolgreich einen Konflikt zwischen Tschetschenen und Awaren in Dagestan bei. 1993 wurde er Vizevorsitzender des Staatlichen Komitees für Nationalitätenfragen, im Januar 1994 stellvertretender Minister Russlands für denselben Bereich.

Im ersten Tschetschenienkrieg vermittelte er zwischen Aufständischen und russischen Truppen, erwirkte die Freilassung von Geiseln und Gefangenen. 1997 zum stellvertretenden Premierminister Russlands ernannt, konzentrierte er sich auch in dieser Funktion auf die Nationalitätenpolitik und den Nordkaukasus. Von 2005 bis 2009 vertrat er die Russische Föderation als Botschafter in Tadschikistan.

Dagestans Bevölkerung erwartet viel von dem populären Politiker. Die jüngste Verhaftung seines Widersachers, des Bürgermeisters der Hauptstadt Machatschkala, Said Amirov, und die Installierung einer loyalen Regierung machen für den früher bekannten Volleyballspieler und dreifachen Vater den Weg frei für die Umsetzung seiner Pläne: den Kampf gegen Korruption, die Ankurbelung der Wirtschaft und ein rücksichtsloses Vorgehen gegen Aufständische und Salafisten. BERNHARD CLASEN