piwik no script img

Wie beim Hungerkanzler

Drei Jahre regiert Christian Wulff in Niedersachsen. Die SPD präsentierte eine „etwas andere Bilanz“

Es waren drei ziemlich wunderbare Jahre für Christian Wulff. Niedersachsens Ministerpräsident war nicht nur bundesweit Umfragekönig, auch in der vergangene Woche veröffentlichten Umfrage von Infrastest dimap kam seine CDU landesweit auf 42 Prozent, gefolgt von der SPD mit 37, der FDP mit acht und den Grünen mit sieben Prozent.

Ebenso stimmt, dass der Wulffsche Stern derzeit ganz schön abstürzt: In Rankings rangiert er nur noch unter ferner liefen, daheim mehren sich die Patzer: Immerhin hat die CDU in Niedersachsen im Vergleich zu einer Umfrage aus dem Jahr 2004 neun Prozent verloren. Pünktlich zum dritten Geburtstag von Schwarz-Gelb wollte die SPD ein wenig nachhelfen. Um dem Jubiläum des Amtsantritts am 4. März 2003 „angemessen gerecht zu werden“, präsentierte Oppositionschef Wolfgang Jüttner gestern fünf Leidtragende Wulffscher Politik für „eine etwas andere Bilanz“. Die üblichen Verdächtigen, einige mit SPD-Parteibuch, aber benachteiligt.

Drei Eltern klagten über Erlassflut, Lehrermangel und „unermessliche Kostensteigerung“ bei Schulbüchern und Kopierkosten für ihre Kinder. “Wir werden verarmt“, sagte Brigitte Beschenboßel, die wie ihr Mann blind ist. Allein im vergangenen Jahr fehlten den Beschenboßels durch den Wegfall des einkommensunabhängigen Blindengeldes knapp 10.000 Euro. Sie sind beide berufstätig und verdienen zu viel, um die neue einkommensabhängige Blindenhilfe zu bekommen.

Hartwig Frede machte gar einen Vergleich mit der Weimarer Republik. „Die Stimmung bei den Kollegen liegt am Boden“, sagte der Personalratschef der Gifhorner Polizei. Durch Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld, Verlängerung von Beförderungs- und Lebensarbeitszeiten sei die Situation „dramatisch“. Selbst in der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre hätten die Polizisten nicht solche Einsparungen erleiden müssen wie heute in Niedersachsen. „Hungerkanzler“ Heinrich Brüning hatte ihnen damals etwa zehn Prozent ihrer Einkommen gekürzt. Frede: „Bei Ministerpräsident Wulff liegen wir schon bei 13, 14 Prozent.“ ksc

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen