Mit Gunst

Und Verlaub!

Rechtschaffener Bruder, geschätzte Schwester unserer Zunft! Die linden Lüfte sind erwacht und flüstern, es sei an der Zeit, die Stiefel zu wichsen, das Wams zu schnüren und hinauszuziehen in die Welt, um unserem Handwerk nachzugehen und den theuren Daheimgebliebenen von allerlei Fährnis draußen zu berichten. Doch ehe wir aufbrechen, heißt es, das Ränzel zu erleichtern vom Plunder, der sich von manch vergangener Walz her angesammelt hat.

Die Nägel etwa, die wir in ungezählte Palmen schlugen, um daran die „Seele baumeln“ zu lassen, sind mittlerweile krumm. Verzogen die Elle mit dem einzigen Maß „Hier kommt der Urlauber voll auf seine Kosten“, recht stumpf inzwischen auch der Meißel. Kein Wunder, daß er nur noch grobe Brocken schlägt: „Verträumte Ecken“, „romantische Winkel“ und die „eine Reise“, die dieser „zauberhafte Flecken“, jenes „malerische Städtchen“ „auf jeden Fall wert“ sei. Der Pinsel, mit dem wir so viele „biblische Wüsten“ und „wilde Schluchten“ ausgemalt haben, hat fast alle seine Borsten verloren. Auch jene ausgeleierten Scharniere „Ein Muß ist schließlich …“ und „Wer jetzt noch nicht genug hat …“ – sie quietschen unerträglich. Ab damit auf den Unrat! Leicht, zu leicht, dünkt dich dein Bündel nunmehr? Gräme dich nicht, rechtschaffener Bruder, geschätzte Schwester. Kramen wir einfach im Kästlein nach dem Werkzeug, dank dessen gekonntem Gebrauch wir einst Aufnahme fanden in der Zunft. Irgendwo muß sie doch noch zu finden sein, die scharfe Brille. Wischen wir den rosa Fettglanz ab, den zu viele Braten hinterlassen haben, zu denen wir geladen waren. Schon funkeln die Gläser wieder, boshaft fast. Die Feile fürs Filigrane, holen wir sie aus der Lade und klopfen sie frei von „köstlichen Spezialitäten“, „ungetrübtem Vergnügen“ . Und von den Brandeisen, lange der Stolz unseres Handwerks, kratzen wir hurtig den Rost, auf daß sie wieder klar und weithin leuchten: „GESICHTSLOS“ – „UNFREUNDLICH“ – „ÜBERTEUERT“. Eins und eins muß zwei ergeben, immer noch und fürderhin. Und siehe da! Schon wandern wir beschwingt und fröhlich zum Thor hinaus – nicht mehr überall willkommen freilich, aber wo sie uns aufnehmen, ehren sie unsere Kunst. FRANZ LERCHENMÜLLER