Gartenlust gegen Winterstarre

Das hamburgmuseum bietet eine unerwartete, aber etwas trockene Ausstellung über die barocke Kultur des Pflanzens an Elbe und Alster

von Hajo Schiff

Eine ziemlich durchgrünte Großstadt ist Hamburg schon. Aber wer denkt daran, dass die Stadt im Barock ein europaweit berühmtes Zentrum der Gartenkultur war? Ins Gedächtnis ruft das eine Ausstellung im hamburgmuseum. Unter dem Titel Die unaufhörliche Gartenlust führt sie materialreich norddeutsche Gartengeschichte aus 500 Jahren vor.

Den Schwerpunkt bildet die Spanne vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Die frühesten Dokumente gelten den bürgerlichen Gärten im Stil der niederländisch beeinflussten Spätrenaissance mit ihren Orangerien, Laubengängen und streng geometrischen Beeten. Es folgen Pläne der großzügig den französischen Achsensetzungen nacheifernden herrschaftlichen Gärten des Umlandes: Reinbek, Wandsbek, Ahrensburg sowie der teils noch in Spuren erhaltenen Anlagen von Jersbek und Sestermühe.

Doch es geht um mehr als historische Gartenpläne. Die damalige Gartenlust war kein Müßiggang, sondern wissenschaftliche Botanik, betrieben von Gartenfreunden, die über ihre Züchtungen korrespondierten und Zwiebeln und Samen tauschten.

Der Garten war fest in der Barockkultur verankert. Die Pflanzen im Garten des Hamburger Kaufmanns und Ratsherrn Eberhard Anckelmann etwa wurden um 1660 vom Hamburger Künstler Hans Simon Holtzbreker aufs Schönste und Genaueste in mehreren Prachtwerken porträtiert. Ab 1721 schrieb der Hamburger Ratsherr Barthold Hinrich Brockes ein neunbändiges Gedichtwerk über die Natur, die Pflanzen und speziell die Blumenpracht seiner Gärten. Nicht nur Bücher, Bilder und Teppiche, auch Geschirre wie eine Kohlkopfschüssel oder eine Spargelterrine, Dosen in Weintrauben- oder Zitronenform zeigen, dass sich das Garteninteresse bis in alle Formen der Dekoration zog.

Doch gleich in welcher Prächtigkeit, stets ging es darum, die Natur zu unterwerfen. Erst als die Mode den Degen durch den Spazierstock ersetzte, wurde in der freien Natur selbst das romantische Ideal gesehen und nach englischem Vorbild der Landschaftsgarten mit seinen scheinbar absichtslos sich abwechselnden heroischen und idyllischen Ansichten inszeniert.

Dass die Niederlande, England und auch Hamburg stets Gartenzentren waren, liegt auch am Überseehandel, der den Zugriff auf exotische Pflanzen erleichterte. So brach in der Mitte des 19. Jahrhundert ein regelrechtes Orchideenfieber aus – und das Gewächshaus des Konsuls Gustav Wilhelm Schiller in Oevelgönne war eines der berühmtesten. Die Gartenmode schätzte wieder Künstlichkeiten, der Landschaftsgarten mit seinen plötzlich „Brezelwege“ geschmähten dahinschwingenden Anlagen wurde selbst altmodisch. Eine Autorität wie Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark unterstützte die Reformgärten, Anlagen, die um 1900 wieder regelmäßige Formen aufwiesen und erneut stärker architektonisch bestimmt waren. Allein das Hamburger Atelier des Gartengestalters Jakob Ochs legte 80 Privatgärten nach diesem Konzept an, dessen Elemente heute am besten noch im Stadtpark aufzufinden sind.

Darüber hinaus verweist die Ausstellung kurz auf die IGA 63, die internationale Gartenbauausstellung 1963 in den Wallanlagen, und zeigt einen Plan der für 2013 in Wilhelmsburg geplanten Gartenschau. Doch vielleicht sind gar nicht solche Großprojekte das vorläufige Ende der Entwicklung, sondern in der Verlängerung privater romantischer Sehnsucht viel eher ganz einfach die heimische Fototapete.

Für das Barock bietet die Ausstellung manches Anregende, Überraschende und Schöne. Gut wäre gewesen, sich darauf zu beschränken und auch darzustellen, wie diese Pracht später verloren ging, aber in Spuren wie der „Rosenallee“ im Münzplatzviertel noch anklingt. Stattdessen findet sich von allem etwas: Blumenstillleben aus der Kunsthalle, Geschirr mit Pflanzendekor aus dem Museum für Kunst und Gewerbe und eine fast beliebige Auswahl von Hamburgensien des 19. und 20. Jahrhunderts. Die aus den Archiven geholte Materialfülle lässt sich eben doch besser wissenschaftlich als museal bewältigen. So gehört zumindest der Katalog in die Bibliothek jedes an Hamburg Interessierten.

Di–Sa 10–17, So 10–18 Uhr, hamburgmuseum (Museum für Hamburgische Geschichte); bis 30. 4.; Katalog 265 Seiten, 29,80 Euro. Ein umfangreiches Begleitprogramm, u. a. mit Gartenführungen, rahmt die Schau. Info: www.hamburgmuseum.de