Ein Traum steht zum Verkauf

Mit öffentlichen Führungen versuchen die Beginen, Frauen für das Wohnprojekt in der Neustadt zu gewinnen. Leer stehende Wohnungen werden nicht vermietet, nur noch verkauft. Ein Rundgang

Bremen taz ■ 16 Frauen haben sich im Innenhof des Beginenhofs in der Bremer Neustadt versammelt. Sie warten auf Erika Riemer-Noltenius, die zu einer Führung durch die Wohnanlage eingeladen hat. Die Initiatorin und Vorsitzende des Vereins Bremer Beginenhof Modell (BBM) – die nach der Pleite des Projekts ihr Haus verkaufen musste und nun hier in einer Wohnung lebt – steigt pünktlich um elf die Treppen hinab und begrüßt jede der Damen per Handschlag. Sie lotst ihre Gäste in eine Ecke des Innenhofs, aus der die Fassade des Beginenhofs aussieht wie „ein Ozeandampfer“. Dann geht es runter in den Keller. Die riesigen Räume und vielen Gänge erinnern an Katakomben.

„Ich selbst habe zwei Wochen gebraucht, um mich hier zurechtzufinden“, sagt Riemer-Noltenius. Mit dem Fahrstuhl geht es aufwärts zur Wohnung von Erika Riemer-Noltenius. Die Frauen begutachten alles ganz genau. Den Schnitt des Wohnzimmers, das Schlafzimmer, Balkon, Einbauküche und Bad. Schnell bemerken sie, dass es in der Wohnung keine Schwellen gibt, nicht mal am Einstieg zur Dusche. „Alle 85 Wohnungen sind barrierefrei“, bestätigt Riemer-Noltenius. „In unserem Alter muss man sich ja schon solche Gedanken machen“, fügt sie hinzu, betont aber, dass der Beginenhof keine Seniorenanlage ist.

Frauen in jedem Alter und aus allen sozialen Schichten wohnen hier und sorgen für „eine interessante Mischung“. Der Beginenhof sei ein Projekt für moderne Frauen, selbständig und unabhängig. Die Vorstandsvorsitzende geht forschen Schritts voran in Richtung der Gemeinschaftsräume. Hier treffen sich die Mieterinnen zum Tanzen, Singen und Trommeln. Riemer-Noltenius zeigt und erklärt, lacht und gestikuliert. Die ihr folgenden Frauen schauen und nicken.

Nichts lässt vermuten, dass es hinter der bunten Fassade des Wohnprojektes schon seit dem Einzug der ersten Frauen im Mai 2001 bröckelt: Der Wirtschaftssenator habe für das Projekt 7,5 Million Mark zugesagt, das Versprechen dann aber nicht eingelöst, so stellt es Riemer-Noltenius dar. „Damit ist die Finanzierung des Projektes zusammengebrochen. Wir mussten Insolvenz anmelden.“ Viel Kritik hat Riemer-Noltenius damals einstecken müssen. Sie sei zu blauäugig, hat man ihr vorgeworfen, naiv und gutgläubig. „Dass wir als Expo-Projekt Bremen repräsentiert hatten und sogar von den Vereinten Nationen ausgezeichnet wurden, das alles war plötzlich vergessen“, sagt sie. Doch nicht nur die Gläubiger haben eine andere Sicht auf die Dinge und sehen erhebliche Mängel beim Finanzkonzept der Beginen um Riemer-Noltenius.

„Heute gehören wir praktisch der Sparkasse“, erklärt Riemer-Noltenius den Frauen. Die Verwaltung hat die Gewoba übernommen. Allerdings werden leer stehende Wohnungen auf Beschluss des Insolvenzverwalters nicht weitervermietet. Die Wohnungen im Beginenhof können nur gekauft werden. 1.400 Euro kostet der Quadratmeter. Einige der Frauen sind enttäuscht. „Das könnte ich mir nie leisten“, sagt eine, andere nicken. „Aber vielleicht gewinnen wir ja im Lotto.“ Wieder andere notieren sich die Namen und Telefonnummern der Ansprechpartner für Kaufinteressenten, „erst mal nur so, man kann ja mal fragen.“

Jeanette Simon