WM-Fieberkurve
: Keine Lust auf Ordnung

Früher war alles besser. Da haben die Italiener noch keine Tore geschossen. Oder höchstens eins. Da konnte man sich noch drauf verlassen, dass unsere Jungs es mit deutschen Tugenden immer noch irgendwie hingebogen kriegten. Es gab keinen Schönheitspreis, aber das Ergebnis hat gestimmt – gefühlt zumindest.

Und heute: Nix mehr mit deutschen Tugenden. Nicht mal mehr auf die gute, alte deutsche Ordnung ist Verlass. Die müssen uns jetzt schon internationale Organisationen wie die Fifa einbläuen. Typisch, dass ausgerechnet die Berliner wieder aus der Reihe tanzen. Sie machen mal wieder, was ihnen so in den Kopf kommt, fallen unangenehm auf, werden ermahnt. Und dann weinen sie auch noch!

Die Berliner Tourismus Marketing (BTM) hat eine ausufernde Gängelung durch die Fifa beklagt. Auf der Internationalen Tourismus-Börse, die diese Woche beginnt, wollten die Hauptstädter sich mit den 32 Flaggen der teilnehmenden WM-Nationen schmücken. So geht das natürlich nicht, mahnte die Fifa an. Dazu noch der kesse Spruch „Willkommen in Berlin“. Wenn das mal nicht eine Raubkopie von „Willkommen bei Freunden“ ist. Da hört bei der Fifa die Freundschaft auf. Die Ordnungshüter haben schnell geschaltet und der BTM mit einer Klage gedroht. Wo kämen wir da auch hin, wenn alle flaggen würden, wie sie wollten?

Von ihrer Idee, sich als Sportstadt und Fußballmetropole zu verkaufen, lassen die Berliner sich dennoch nicht abbringen. Jetzt werden 3 weitere Flaggen neben die anderen 32 gehängt. Schließlich will man ja keinen Ärger. So sieht Entgegenkommen auf berlinerisch aus.

Dreisterweise hat sich BTM aber auch in den Kopf gesetzt, zur WM Berlin-Broschüren zu veröffentlichen. Dass die von der Fifa genehmigt werden müssen, haben die Anarchos aus der Hauptstadt zwar eingesehen. Nur will der ordentliche Weltfußballverband auch noch bei den Übersetzungen in andere Sprachen mitreden – möglichst in jeder Sprache eins.

Wäre ja noch schöner, wenn die Broschüre einfach so übersetzt würde. Von Berlinern! Unbeaufsichtigt! Ein Stempel der Fifa ist da ja wohl das Mindeste: „Eingesehen und genehmigt“ – oder so ähnlich.

„So langsam vergeht einem da die Lust an der Vorbereitung“, sagt BTM-Geschäftsführer Hanns Peter Nerger. So eine WM ist halt keine Spaßveranstaltung. Aber davon will in diesem Lande ja keiner mehr was hören. Früher war wirklich alles besser. LARS KLAASSEN