Unser lieber BND

„Die Geheimdienstlegende“ liefert wohlgefällige Wertungen über denEx-Nazi-General und BND-Gründer Reinhard Gehlen (21.00 Uhr, ARD)

VON RAINER BRAUN

Es hätte eigentlich eine schöne Geburtstagsfeier werden können. Der Kalte Krieg ist längst Geschichte, ebenso die DDR. Auch die SPD hat aus gutem Grund offensichtlich ihren Frieden mit Pullach geschlossen. Und so steht einer Neubewertung des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seines ersten Leiters Reinhard Gehlen in milderem Licht im Grunde nicht viel im Wege. Dummerweise aber lieferten Mitarbeiter des BND augenscheinlich den USA im letzten Irakkrieg brisante Informationen. Die richtige Partystimmung mag da zum 50. Geburtstag des BND am 1. April kaum aufkommen.

Das ist schon deshalb schade, weil sich Wolfgang Klauser und Ulrich Stein einige Mühe geben, uns eine schillernde Figur wie Gehlen nun auch als Familienvater nahe zu bringen. In ihrer Doku zeigen sie auch Schnipsel aus dem Privatleben des Ex-Nazi-Generals, die wir noch nie sehen konnten – und auch nicht wirklich sehen müssen: Gezeigt wird Gehlen bevorzugt mit Sonnenbrille im Kreis seiner Lieben am Starnberger See.

Doch seine Kinder Dorothee und Christoph haben den NDR-Autoren freundlicherweise nicht nur Super-8-Filme aus dem Privatarchiv zur Verfügung gestellt. Freimütig plaudern sie nun auch erstmals vor der Kamera über den Vater, der ihnen „Werte vorgelebt, an denen man sich orientieren konnte“, (Christoph) und von der „Vernichtung der Juden“ wahrscheinlich nichts gewusst hat (Dorothee). Sätze wie diese lassen denn doch aufhorchen, auch wenn sie im Film vom Militärhistoriker Georg Meyer relativiert werden. Denn insgesamt nimmt Gehlens Rolle im NS-Regime, für das er von 1942 bis zum April 1945 als Leiter der „Fremden Heere Ost“ im Oberkommando des Heeres an entscheidender Stelle am Vernichtungskrieg beteiligt war, eine ziemlich untergeordnete Rolle in der 45- minütigen Doku ein. Mehr Wert legen die Autoren auf die Darstellung von Gehlens Anteil am Aufbau der bundesdeutschen Spionageabwehr, für den die US-Regierung den wandlungsfähigen Spezialisten ab 1945 nach intensiver Befragung auserkor.

Das Ergebnis fügt sich am Bildschirm zu einem höchst ambivalenten Porträt. Denn auch wenn Klauser und Stein die illegalen Methoden Gehlens und seinen autoritären Führungsstil nicht ausblenden, mangelt es ihrem Film an einer klaren Konzeption. Für ein echtes Porträt haben sie zu wenig aussagekräftiges Material und Zeitzeugen. Das Kokettieren mit Super-8-Filmchen und die Befragung der Kinder stehen einer dezidierten Würdigung des politischen Kontextes eher entgegen.

Das führt per Saldo auch zu wohlgefälligen Wertungen, die mit Blick auf die Realität allenfalls unfreiwillig komisch sind. Der BND, so folgern Klauser und Stein, habe sich nach Gehlens Pensionierung 1966 „von einem patriarchisch geführten zu einem demokratisch kontrollierten Dienst“ gewandelt. – Tröstlich am Film ist da allenfalls, dass Exkanzler Helmut Schmidt (SPD) das Schlusswort hat: „Misstrauen gegenüber jedem Geheimdienst ist dringend geboten.“