ortstermin: beim „club der bekennenden fleisch- und wurstesser“
: Eine Tonne tierisches Eiweiß

Wer Mitglied ist im Fleischesser-Club, der trägt heute eine weiße Krawatte mit bunten Wurst-Bildern drauf

„Zickenfleisch“, schwärmt Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen, und dann auch noch Deichzicke – „das kriegste sonst nie“. Auf die Schlange am heißen Buffet hat der Christdemokrat aber gerade keine Lust und gibt sich gelassen: „Die tun ja noch nach.“

Einmal richtig sattessen: Niedersächsische Abgeordnete, Minister oder auch Staatssekretäre können das, wenn einmal im Jahr der „Club der bekennenden Fleisch- und Wurstesser“ lädt: Dahinter steckt die Ernährungswirtschaft aus Ostfriesland, die seit inzwischen 13 Jahren zum parlamentarischen Abend ins Neue Rathaus Hannover bittet.

Rund 240 geladene Gästen sind gekommen, aber offenbar weiß einzig der im Kabinett für Ernährung zuständige Ehlen, dass die Ostfriesen heute insgesamt eine Tonne tierisches Eiweiß in der Hinterhand haben. Umso ordentlicher gedenkt er zuzulangen: „Ich versuche, von allem ein bisschen zu essen!“ Auch sein Parteifreund Bernd Busemann, Justizressort, bekennt: „Ich bin Fleischesser.“ Das Vegetarische, tja, liege ihm nicht so. Und für den FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode gilt: „Hauptsache scharf!“

Dies ist möglicherweise der einzige parlamentarische Abend, bei dem wirklich passiert, was auf der Einladung steht: Berge von Fleisch tragen die versammelten Parlamentarier, angeführt von Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU), da zu ihren Plätzen. Angesichts der hier zu bewältigenden Aufgaben kennen die Anwesenden, so scheint es, nicht mal mehr die sonst so tiefen parteipolitischen Gräben: Selbst die Linksfraktion ist vertreten. Patrick Humke-Focks liegt zwar die jüngste Abstimmungsniederlage in Sachen Landtagsneubau noch etwas quer. „Aber der Appetit auf Fleisch ist mir nicht vergangen“, sagt der Göttinger Abgeordnete, dem es heute mal wichtig ist, dass er eigentlich aus Ostfriesland stammt. Immerhin: Auf seinem Teller haben sich auch ein paar Champignons versteckt.

Selbstredend ist es nicht die schiere Menschenliebe, aus der die ostfriesischen Fleischproduzenten regelmäßig einen ausgeben: „Wir wollen unsere Region bekanntmachen“, sagt Organisator Reiner Alberts und spricht von dem Empfang als einer Kommunikationsplattform.

Wer Mitglied ist im Fleischesser-Club, der trägt beim parlamentarischen Abend eine weiße Krawatte mit bunten Wurst-Bildern drauf. Daran kommt auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) nicht vorbei, der seinen Schlips allerdings „vergessen“ haben will – prompt reicht Alberts ihm Ersatz. „Die Krawatte ist schrecklich“, stöhnt Wulff. Aber das Fleisch sei sensationell. Das sieht auch SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner so. „Ich bin Halb-Ostfriese“, sagt der über Grünkohl und Pinkel hinweg – „meine Frau kommt aus Aurich!“ LUKAS SANDER