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RALPH BOLLMANN ZUM SCHWEIGEN DES SCHWARZ-GELBEN BUNDESPRÄSIDENTENStille Tage im Schloss Bellevue

Mal ehrlich, wäre die Bild-Zeitung neulich auf die Suche nach dem verschollenen Super-Horst gegangen – hätte irgendjemand etwas vermisst? Wohl kaum. Dass man, von internen Streitereien und den obligaten Grußbotschaften an siegreiche deutsche Sportler einmal abgesehen, aus dem Amtssitz des Bundespräsidenten nichts, aber auch gar nichts mehr hörte, das war der politischen Klasse ganz recht. Und zwar parteiübergreifend.

Das stärkste Argument für die Wiederwahl Köhlers, die zunächst auch die SPD-Führung anstrebte, lautete im Vorjahr: Großen Schaden kann ein Präsident in der Bundesrepublik ohnehin nicht anrichten. Wenn das der Auftrag war, hat der Amtsinhaber ihn jedenfalls erfüllt. Leider feiert demnächst ausgerechnet Richard von Weizsäcker einen runden Geburtstag. Mit seinem Auftritt zum Jahrestag des Kriegsendes begründete er 1985 den Mythos der großen Präsidentenrede. Seit 25 Jahren wartet man in Deutschland auf eine Wiederholung, seit 25 Jahren bleibt sie aus. Die martialische Ruck-Rede Roman Herzogs hat, nüchtern betrachtet, Reformprozesse eher behindert als gefördert. Und selbst Johannes Rau, der sich das Amt doch so sehr gewünscht hatte, war von dessen Möglichkeiten am Ende enttäuscht.

Es ist nicht ohne Ironie, dass Köhler seine Sprache ausgerechnet mit dem Amtsantritt jener Koalition verloren hat, als dessen Vorbote er 2004 gewählt worden war. Der Grund für Köhlers Scheitern aber ist ein anderer. Auch mancher Vorgänger musste sich von der politischen Konstellation emanzipieren, die ihn einst gewählt hatte. Das Problem des ersten Nichtpolitikers an der Staatsspitze liegt eher in einem Mangel an parteipolitischer Erfahrung – gepaart mit seiner Überschätzung der Möglichkeiten, die das Amt dem bietet, der es innehat.

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