Superheld in der Würstchendose

Woorstman gegen Pilzman, Neonazis gegen Gevatter Tod, Igel Igor gegen die Tristesse der alten Spedition am Güterbahnhof: AgitPolska holt polnische Comiczeichner nach Bremen. Hingehen!

Bremen taz ■ Da kommt der Spanner geifernd aus der Peepshow und will wissen, wo sie die tollen Mädels herhaben. „Na, aus den anderen Comics“, verrät der Mann an der Kasse. Das nächste Bild zeigt den Spanner am Boden zerstört: Es gibt andere Comics? Noch andere Wirklichkeiten neben seiner eigenen? Eine Erkenntnis, so bitter wie die, dass sich das Universum nicht um die Erde dreht.

Solche selbstreferentiellen Späße lieben die MacherInnen der Ausstellung „Comics nach polnischer Art“. AgitPolska, ein Verein polnischer, in Bremen lebender Kulturschaffender, hat sich einen Kulturaustausch an der Basis vorgenommen. Mit den Einblicken in die wuchernden polnischen Subkulturen wollen sie Ausstellungsgänger ebenso ansprechen wie polnischstämmige Jugendliche in Tenever und der Neuen Vahr. Bei der Eröffnung haben sie es geschafft, die Spedition am Güterbahnhof bis an die Grenzen der kultig-tristen Räumlichkeiten mit Gothic-Jüngern und Studierenden, Punks und Beamten zu füllen.

So ironisch wie liebevoll werden die zweidimensionalen Streifen in den Raum ausgedehnt. Mit den Gothic-Comics zusammen sieht sich der furchtsame Besucher in einen rostigen Käfig gesteckt. Die mit Blut und Leichenteilen finster daherkommenden Bilder sind nicht bedrohlicher als die Ängste, die uns alle sowieso schon quälen. Da wird ein Baby – fotoromanartig in das gemalte Inferno hineincollagiert – jede Nacht von Monstern heimgesucht, die seine Plüschtiere aufschlitzen. Doch die Eltern freuen sich bloß über seinen Forscherdrang, wenn morgens die Schaumstoffflocken aus den Fellbäuchen quellen.

So charmant-hintersinnig sind viele der präsentierten Comics. Das mag damit zusammenhängen, dass die meisten Zeichner eine künstlerische Ausbildung genossen haben. Den Autodidakten, der seine knallharte Realität in Comics festhält, findet man kaum. Fällt der Blick auf die polnische Gegenwart, dann mildern ihn verschrobene Helden wie der coole Igel Igor, der es mit jedem Schläger aufnimmt. Selbst Neonazis entgleiten ins Märchenhafte, wenn sie sich mit Gevatter Tod anlegen: „Raus mit der Waffe aus unserem Revier“, schnauzen sie den Sensenmann an. Trittsicher balanciert der Autor KRL zwischen Realismus und poetischer Melancholie: Scheitert der Plan, den sagenhaften Wunschbrunnen auszurauben, dann müssen die Kids eben wieder Autoradios zocken.

„Wirf dazu eine CD von den Beastie Boys rein, dann ist das wie so ’n Videoclip“, empfiehlt ein Comic in Sprayer-Ästhetik. Viele Streifen schließen direkt an das global erkennbare Bildrepertoire von Hip-Hop, Punk und Gothic an. Disneyreif bunt kommt der Ostalgie-Comic „Woorstman“ daher. Der Superheld aus der Würstchendose besiegt den fiesen Tschernobyl-Mutanten Pilzman. Aber dann lässt er sich von einer Oma übertölpeln, die sich gegen die Zentralheizung sträubt und nun täglich von Woorstman die Kohlen hochschleppen lässt. Jacek Fras und Krystian Rosinski lassen das Blut in den Adern gefrieren: der eine in einer Albtraumwelt von Brandstiftern und Scheintoten, die der Katalog mutig mit David Lynch vergleicht; der andere in einem beklemmenden Psychogramm des Holocausts mit Kätzchen und Reptilien in den Hauptrollen. Verstört geht man zur nächsten Installation und will doch nur eins: weiterlesen.

Annedore Beelte

Bis 26.3. am Güterbahnhof. Am Samstag, 11.3., volles Programm mit Basar, Comic Couture und Party.