„Brauner Sumpf“ noch lebendig

Nach der mutmaßlichen Zerschlagung der „Kameradschaft Westerwald“ formiert sich die rechte Szene dort neu. Staatsanwaltschaft klagt weitere Rechtsextremisten aus dem „Dunstkreis der Kameraden“ auch wegen Brandstiftung an

AUS DEM WESTERWALDKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Der braune Sumpf ist trocken gelegt!“ Das stand für die Staatsanwaltschaft schon gleich nach der „Aushebung“ der rechtsextremistischen Kameradschaft Westerwald in einer konzertierten Aktion der Strafverfolgungsbehörden im Sommer 2005 schnell fest. Ende Dezember wurden dann 14 von schätzungsweise 40 „Kameraden“ wegen gewalttätiger Übergriffe auf Linke und der Bildung einer kriminellen Vereinigung von der Staatsschutzkammer am Landgericht in Koblenz zu Geld- und hohen Haftstrafen verurteilt.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft erneut Anklage gegen insgesamt sieben Personen „aus der Kameradschaft und aus deren Dunstkreis“ erhoben, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Brauer vergangene Woche der taz sagte. Es gehe dabei um den Vorwurf der Brandstiftung – und auch wieder um die mutmaßliche Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Schon das Urteil im Dezember – nach halbjähriger Untersuchungshaft für einige „Kameraden“ – hatte Chefankläger Walter Schmengler als „Abschreckung für Sympathisanten der Kameradschaft“ gewertet. Und dass sich die angeklagten „Kameraden“ im Prozessverlauf wechselseitig diverser Straftaten beschuldigten und sich mehrheitlich vom Rechtsradikalismus distanzierten, habe zudem wesentlich zur Demontage der Legende von den „treuen deutschen Kameraden“ beigetragen. Dass der Prozess ein „Desaster für die ganze Szene“ gewesen sei, konstatierte auch der mit einer Geldstrafe davongekommene „Kameradschaftskassenwart“ Christian Steub bitter auf dem Gerichtsflur. Die „freie Szene“ im Westerwald, so der regionale NPD-Funktionär, werde sich von diesem Schlag wohl nicht mehr erholen.

Antifaschisten dort sehen das anders. Die Behauptungen von Justiz und Polizei, die Lage wieder im Griff zu haben, seien „nicht zutreffend“, sagten jetzt Mitglieder der „antifa-westerwald“ der taz. Mehrfach sei auch nach der Zerschlagung der Kameradschaft ein Heim für Asylbewerber angegriffen und wenigstens ein jüdischer Friedhof verwüstet worden. Zudem hätten Neonazibands in verschiedenen Kommunen der Region „von Justiz und Polizei unbehelligt“ Konzerte geben können, so die Antifaschisten weiter. Diese Konzerte, die auch im Verfassungsschutzbericht des Landes aufgelistet sind, seien zudem vielfach auf Plakaten öffentlich angekündigt worden.

Auch nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bleibt der Westerwald eine „Schwerpunktregion neonazistischer Aktivitäten“. Nicht zuletzt wegen der vielen Auftritte der NPD dort im Bundestagswahlkampf 2005 und ganz aktuell im Landtagswahlkampf. Die jungen Antifaschisten berichten zudem, dass sich die Kameradschaft zwar tatsächlich aufgelöst habe; doch kleine Gruppen würden auf eigene Faust weiter Aktionen planen und auch durchführen. Und eine andere Neonazivereinigung mit dem Namen MSC 28 und auch das Umfeld der NPD seien von den Strafverfolgungsbehörden noch überhaupt nicht ins Visier genommen worden.

Das ist ein Vorwurf, der die Staatsanwaltschaft in Koblenz nur bedingt trifft. Mit Steub, den auch die Antifaschisten für den „Rädelsführer“ der Kameradschaft halten, hatte die Behörde schließlich den Kreisvorsitzenden und Direktkandidaten der NPD für den Westerwaldkreis bei den jüngsten Bundestagswahlen angeklagt. Dem regionalen Neonaziführer konnte vor Gericht die Beteiligung an den Gewalttaten seiner „Kameraden“ allerdings nicht nachgewiesen werden. Steub tritt jetzt für die NPD erneut zu den Landtagswahlen an. Und auf der Liste der NPD stehen Mitglieder auch aus anderen Kameradschaften ganz vorne; unter anderem der mehrfach vorbestrafte Nazi-Devotionalienhändler Christian Hehl aus Ludwigshafen.

Die Antifaschisten im Westerwald fordern deshalb weiter „die konsequente Förderung einer antifaschistischen Jugendkultur“ – und „Null Toleranz für Nazis und ihre Unterstützer“.