Nichtromantische Landschaft

LEARNING FROM LAS VEGAS Die Ausstellung „Wiederkehr der Landschaft“ in der Akademie der Künste will den Gegensatz Stadt versus plattes Land auflösen und analysiert entsprechend Kultur und Natur als interdependente Größen

Landschaftspflege geschieht nicht aus esoterischen Naturschutzgründen

VON KIRSTEN RIESSELMANN

Bald ist Frühling. Wenn dann Strom und Bäche endlich vom Eise befreit sind, geht der Städter wieder hinaus – schreitet zu Ausflug und Landpartie oder stellt sich sinnend auf Kreidefelsen, um die ursprüngliche Schönheit der Landschaft zu genießen. So zumindest will es die romantische Dichotomie von Stadt und Land. Dass bei dieser Auffassung, die oft immer noch unsere ist, das Umland, das Nicht-Städtische, zur bloßen Verfügungsmasse wird, die ästhetischen Genuss und Ressourcen zu liefern hat oder in ihrer Naturhaftigkeit bedrohlich ist – dagegen geht die Akademie der Künste jetzt an.

Die Ausstellung „Wiederkehr der Landschaft“ versucht in großem Umfang, die Beziehung von Stadt und Landschaft neu zu denken: als etwas Planbares, als etwas zu Gestaltendes, als eine Kunst des Überlebens im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit. Wer Klimawandel, Wassermangel und Energieverschwendung etwas entgegensetzen möchte, so die These, der muss die Stadt im Kontext ihres Umlandes begreifen – „die Stadt des 21. Jahrhunderts aus der Landschaft entwickeln“.

Um ihre Idee einer Balance, die nicht vom Gegensatzpaar Natur vs. Kultur, sondern von der Interdependenz von Stadtplanung und Landschaftsarchitektur ausgeht, plausibel zu machen, geht die Ausstellung in drei Schritten vor. In einem ersten Raum wird eine Definition von „Landschaft“ versucht. Zitaten aus der Literatur werden Dokumentarfilmausschnitte und Performancevideos gegenübergestellt. Was erst recht assoziativ und wenig ausformuliert wirkt, schnurrt mit der Zeit, die man sich allerdings nehmen muss, auf eine Aussage zusammen: „Landschaft“ ist immer schon etwas vom Menschen Gemachtes und immer abhängig von einem kulturell bedingten Blick – kann also auch anders gemacht und anders gesehen werden.

Konkret wird es im zweiten Saal, der sich auf zwei Beispiele konzentriert: auf die beiden Städte Venedig und Las Vegas. Die eine Weltkulturerbe und im Wasser gebaut, die andere in wenigen Jahrzehnten zur Millionenstadt mitten in der Wüste angewachsen.

Beide Städte stehen in einer feindlichen Umwelt – und haben heute mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Mithilfe einer Menge Datenmaterial sowie den großformatigen Luftbildern des Fotografen Alex S. MacLean versucht die Ausstellung, Lehren aus der Geschichte der beiden Städte zu ziehen.

Las Vegas wird dabei recht vorhersehbar, aber trotzdem eindrucksvoll als trauriger Höhepunkt eines absolut nicht nachhaltigen Glaubens an die ingenieurstechnische Beherrschbarkeit der Welt dekonstruiert. Entlang der Probleme, die der irre Wasserverbrauch in der Wüstenstadt zeitigt, in der die Planer auf Golfplätze, Pools und massiven Tourismus- und Einwohnerzuwachs setzten, macht die Ausstellung klar: Die Kosten, die für das Überleben einer Stadt wie Las Vegas anfallen, sind zu schlicht viel hoch. Will Las Vegas überleben, sollte es zu einer schrumpfenden Stadt werden.

In Venedig dagegen haben erst Klimawandel, Industrialisierung des Hinterlandes sowie Tanker- und Kreuzschifffahrt Probleme wie Hochwasser und Luft- und Wasserverschmutzung generiert. Früher war alles besser. Zwar konnte die Stadt schon immer nur durch steuernde Eingriffe des Menschen am Leben erhalten werden – schon im Mittelalter wurden Maßnahmen gegen die natürliche Verlandung der Lagune ergriffen, etwa durch Aufforstung im Po-Delta die Erosion verlangsamt und gleichzeitig durch eine Bewirtschaftung der Wälder die ökonomische Grundlage der Stadt (Schiffbau) gesichert. Genau diese Form des behutsamen Eingreifens ist für die Ausstellungsmacher aber ein Ideal für eine ausbalancierte „Nutzung und Erhaltung der Landschaft“. Landschaftspflege, so kann man vom mittelalterlichen Venedig lernen, geschieht zum Wohl der urbanen Allgemeinheit.

Ein dritter Saal mit beispielhaften landschaftsarchitektonischen Projekten der Jetztzeit führt diesen Gedanken fort: Nicht um romantische Verklärung von „Natur“ geht es, wenn man eine nachhaltige Strategie für die Welt entwickeln will, sondern um einen neuen Begriff von „Landschaft“, die sich im besten Fall produktiv nutzen lässt, in einem ökologischen Gleichgewicht zur Stadt steht – und darüber hinaus noch schön ist, wenn man sie betrachtet oder sich in ihr bewegt.

Man kann der Ausstellung durchaus Minuspunkte geben. Sie könnte den Besuchern nicht ganz so viel Zeitaufwand zumuten, um die zentralen Erkenntnisse zu destillieren, und sie hätte die Beispielprojekte im dritten Raum nicht sich selbst darstellen lassen sollen. Aber für den Ansatz, nüchtern wie dringlich eine neue ökologisch-funktionale Ratio einzufordern, die nichts mit einer verklärenden „Mein Freund, der Baum“-Attitüde zu tun hat, möchte man sie hoch loben.

■ Ausstellung bis 30. 5., Akademie der Künste, Hanseatenweg; zum Rahmenprogramm siehe www.adk.de/landschaft