Direkt ins Hohlkreuz

1.000 arme Kinder bekommen einen Schulranzen gesponsert. Gemischte Gefühle in den Schulen

Bremen taz ■ Das Deutsche Kinderhilfswerk stattet 1.000 Bremer Schulanfänger mit kostenlosen Ranzen der Marke „DerDieDas“ aus. Der Hersteller sei auf sie zugekommen und habe die Tornister zur Verfügung gestellt, sagt Claudia Keul, Referentin beim Kinderhilfswerk. Beim Projektpartner Weser Kurier fungiert der Hersteller als anonymer „Sponsor, der im Hintergrund bleiben will“. In Berlin seien schon 500 Ranzen von begeisterten Kindern in Empfang genommen worden. Da sich in Bremen lokale Projektpartner gefunden haben, kommt der nächste Schulranzen-Segen an die Weser. Mit ALG-II- bzw. Sozialhilfe-Bescheid oder dem Nachweis über ein geringes Einkommen kann ein Ranzen beantragt werden.

„Toll, toll, toll“, kommentiert der Arbeitskreis Kinder, ein Gremium pädagogischer Einrichtungen in Tenever. Hans-Wolfram Stein, Lehrer am Schulzentrum Waliser Straße, hat mit seinen Schülern über Kinderarmut geforscht. Für ihn ist die private Spendenaktion, die vom Sozialressort unterstützt wird, „ein Armutszeugnis des Staates“. Stein rechnet vor: Nachdem mit Hartz IV der Zuschuss für die Einschulung abgeschafft wurde, müssen ALG-II-EmpfängerInnen den rund 100 Euro teuren Schulranzen von den 1,32 Euro zusammensparen, die der Gesetzgeber monatlich für Schreibmaterial vorsieht.

SchulleiterInnen sehen die Aktion mit gemischten Gefühlen. Natürlich sei Unterstützung für bedürftige Schüler positiv, finden Uwe Hehr von der Grundschule Andernacher Straße in Tenever und Christel Brückner von der Grundschule Arsten. Doch meinen beide, dass sich der kübelförmige Ranzen mit dem steifen runden Deckel deutlich von den Modellen unterscheidet, die Kinder üblicherweise tragen. Eine Stigmatisierung? In Tenever nicht, sagt Uwe Hehr. Hier könnte jedes zweite Kind einen solchen Ranzen beantragen. Markenfetischismus ist ihm in der Altersgruppe unbekannt. Damit stützt er die Argumentation des Kinderhilfswerkes. Auffallen, meint Claudia Keul, würden die 1.000 Armen-Ranzen höchstens, weil Bremen so klein ist. In Berlin sei das kein Thema gewesen.

Für Arsten, wo bedürftige Kinder die Ausnahme darstellen, sieht Brückner das anders. Ein Einkaufsgutschein wäre hilfreicher gewesen, meint sie, oder mehr Variation als das rosafarbene Mädchen- und das blaue Jungsmodell. Das Ritual, den ersten Ranzen selbst auszusuchen, möchte sie armen Kindern nicht vorenthalten. Product Placement in der Schule? „Als würde Waldi Hartmann in der ARD Paulaner trinken“, kommentiert Stein.

Bei Karstadt sind die gespendeten Modelle auch in den Regalen zu entdecken. Seit einem Jahr sei „DerDieDas“ im Sortiment, erfahren KundInnen hier. „Aber sie haben sich nicht bewährt.“ Andere Ranzen passen sich besser an den Körper an. „DerDieDas“ drückt direkt ins Hohlkreuz. abe