Die kleine Wortkunde

Das Phänomen „mitteleuropäischer Flüchtlingslager“ (Dietmar Wischmeyer) zieht Tausende aufs freie Feld, bis Sonntag etwa auf das „Greenville“ nahe Berlin oder ab Donnerstag zum Headbangen nach Wacken.

„Festival“ (Festspiel, große mehrtägige Veranstaltung) wurde im 19. Jahrhundert aus dem Englischen übernommen. Die Substantivierung des englischen Adjektivs „festival“ (festlich) geht auf das altfranzösische „festival“ (festlich) zurück, welches vom lateinischen „festivus“ (feierlich) abstammt. Das „Fest“ gibt es im Deutschen bereits seit dem 13. Jahrhundert: Ursprung ist das lateinische „festus“ (Festtage für religiöse Feiern), das etymologisch mit „fanum“ (heiliger, der Gottheit geweihter Ort) verwandt ist.

Dieser religiöse Hintergrund ist heute dem profanen Vergessen anheimgefallen. Doch lebt die heilige Tradition nicht in den Festivals fort, diesem Versuch, dem paradiesischen Urzustand so nahe wie möglich zu kommen, indem man ein paar Tage lang unbeschwert von Kleidung und Hygienevorschriften (wie) im Rausch auf Gottes grüner Erde herumtollt?

Festivals sind die heiligen, den Rockgöttern geweihten Haine der Gegenwart, deren Pilger singend, tanzend und moshend ihren Gottesdienst verrichten und ihren Stars etliche Leberzellen opfern. Das Festivalgelände sieht hinterher aus wie nach dem Ragnarök, doch danach folgt leider nicht das Jüngste Gericht, sondern – schlimmer – die Rückkehr in den Alltag. ERIK WENK